Vorab, um es gleich erklärt zu haben: Agoraphobie ist die Angst vor weiten Plätzen, also in etwa das genaue Gegenteil von Klaustrophobie. Bitteschön. Nun zur eigentlichen Rezension: Kaum eine Band im Bereich Grindcore und Extremmusik hat eine derart abstruse und ungewöhnliche Geschichte wie AGORAPHOBIC NOSEBLEED. Die Band, bestehend aus Scott Hull an sämtlichen Saiteninstrumenten sowie dem Drumcomputer auf der einen Seite, J. Randall, Richard Johnson und Kat am Gesang auf der anderen Seite hat in ihrer mittlerweile 15-jährigen Bandgeschichte mit ‚Agorapocalypse’ gerade einmal ihr drittes Full Length Album am Start. Dafür hat die Band aber einen Katalog an Ep´s, seven inches und Mini-CD´s in der Hinterhand, den wohl kaum noch jemand überblicken kann. Mit ‚Altered States of America’ schafften sie es, auf eine 3’’ CD 100 Titel zu bannen, und, was wohl mit am erstaunlichsten ist: die überaus erfolgreiche Band hat in ihrer Geschichte erst ein einziges Konzert gegeben, und das war obendrein ein Überraschungsauftritt.
‚Agorapocalypse’ ist überraschend direkt geworden. Zwar sind klare Grindstrukturen erkennbar, aber ebenso häufig drückt die Band jetzt auch mal auf die Bremse, wirkt dabei fast schon ein wenig thrashig, schaffen aber auch den Spagat, modern zu klingen. Angereichert wird das ganze dann noch durch einen Schuss Crustcore, fertig.
Die Produktion des Albums ist wuchtig und massiv. Das Gitarrenriffing kommt für eine Grindscheibe erstaunlich deutlich rüber, trotzdem wird in erster Linie ein Schwerpunkt auf das Schlagzeug gesetzt, welches, wie wir ja wissen, programmiert ist. Der Gesang, der gleich von drei Leuten vorgetragen wird, ist durchsetzungsfähig, brutal und hart, hätte es aber nicht schwarz auf weiß auf dem Papier gestanden, so hätte dieser Umstand, dass es mehrere Shouter sind, aber auch unbemerkt an mir vorbeiziehen können und ich hätte mich vielleicht an der Vielseitigkeit des Schreihalses erbauen können, so allerdings ist der Effekt eher genau anders herum.
Trotz des insgesamt aufgelockerten Songwritings wirken die einzelnen Tracks alle in sich hektisch, gestückelt, verstörend, also genau so, wie es die Band beabsichtigt haben dürfte. AGORAPHOBIC NOSEBLEED schreiben keine Songs, um sich Freunde zu machen, sondern eher, um ihrer Wut freien Lauf zu lassen und zu provozieren, wie sich auch schon anhand des Schlusssatzes aus ihrer Bandbiographie erkennen lässt: “Die and get the fuck out of the way!“. Wer jetzt meint, dass dies ja eine Aussage wäre, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen ist, dem sei gesagt, dass dies auch in der Biographie der Fall ist. Ohne Bezug auf irgendetwas als abschließender Kommentar!
Einer solch freundlich formulierten Aufforderung kann man doch fast schon nicht widerstehen, oder? Daher beschließen wir die Review an dieser Stelle mit dem Fazit, dass AGORAPHOBIC NOSEBLEED sicherlich interessante Songs schreiben, alles in allem aber doch nur eine Grindcore-Band bleiben, die durch viele Songs in wenig Zeit auf sich aufmerksam machen, die zudem mit unmenschlich programmiertem Schlagzeug zu punkten versuchen und sich durch Bühnenabstinenz auszeichnen. Klingt doch fast nach einer meiner neuen Lieblingsbands, oder?