Der vorliegende Silberling ist das 14. Opus der Punkrock-Legende BAD RELIGION. Ähnlichkeiten in Bezug auf den Titel und das Artwork zum Debut „How Could Hell Be Any Worse?“ von 1982 sind evident. Warum? Keine Ahnung! Muss man Götter immer erklären können? Denn für jemanden, der Anfang der 1990er Jahre musikalisch durch den kalifornischen Punkrock sozialisiert wurde, sind böse Worte über BAD RELIGION mehr als Majestätsbeleidigung, ja vielmehr Blasphemie! Woran liegt das? Schon wieder so ne unnötige Frage! BAD RELIGION haben den Punk nicht erfunden und sie waren nicht die ersten, die ihn melodiös aufpeppten. Das Besondere an BAD RELIGION ist in ihrer Eigenständigkeit zu suchen, in ihrer Einzigartigkeit, in der Symbiose von Aggressivität und Geschwindigkeit sowie Harmonie und Melancholie – und dann wieder dem kompletten Gegenteil. Darüber hinaus scheinen die Songs zeitlos zu sein: geprägt durch die amerikanische Folk-Musik entstehen die Stücke des kongenialen Duos Greg Graffin / Brett Gurewitz auf Piano und Akustik-Gitarre, bevor sie durch einen Verzerrer beschleunigt werden.
Darüber hinaus zwingen die Texte den normalen Mitteleuropäer zur Benutzung eines Wörterbuches, was nicht bedeutet, dass man danach schlauer wäre, denn Thematiken wie Religionskritik, Machtmissbrauch, Szeneschelte und andere sozialpolitische Aspekte erschließen sich nicht auf den ersten Blick – dafür sorgt Greg Graffin, Dr. der Evolutionsbiologie und Universitätslehrer an der UCLA schon.
Behaupten sowohl einige Fans als auch Kritiker, dass BAD RELIGION bereits zwischen 1988 und 1990 mit der Album-Trilogie „Suffer“, „No Control“ und „Against The Grain“ ihr unübertreffbares Vermächtnis für die Ewigkeit hinterlassen hätten, so tut man mit dieser These den nachfolgenden Alben (OK, nicht allen) Unrecht. „New Maps Of Hell“ komplettiert zusammen mit „The Process Of Believe“ und „The Empire Strikes First“ einen weiteren Dreierpack, der im Genre seinesgleichen sucht und die Formkurve steil nach oben steigen lässt, wohingegen Weggefährten wie NOFX, LAGWAGON oder NO USE FOR A NAME mit ihren jüngsten Veröffentlichungen bisweilen Kopfschütteln hervorrufen.
Seit der Rückkehr von Brett gilt wieder die Devise: „Gib ihm!“ Die ersten drei Stücke ballern los, kurze Verschnaufpause beim Midtempo-Stück „New Dark Ages“, weiter zum ersten großen Höhepunk „Requiem For Dissident“, kurze Überbrückung, nötiger Pinkelstopp bei der vielleicht unnötigen Radiosingle „Honest Goodbye“, über den Doppelgipfel „Dearly Beloved“ und „Grains of Wrath“ vorbei an mehreren wunderschönen Gemälden wie „Scrutiny“ bis hin zum melodiösen Reiseendpunk „Fields Of Mars“. Schluss. Einige Oh-Ahs der Background-Vocals klingen im Gehörgang nach. Melodie-Muster verankern sich im Langzeitgedächtnis. Ein Gefühl der Leere greift um sich. Fassungslosigkeit ob solcher Aussagekraft macht sich breit. Eine kleine Freudenträne glitzert auf der Wange. Alle Feindseeligkeiten auf der Welt werden sofort eingestellt, fremde Menschen fallen sich um den Hals, die Wale sind gerettet und Atomenergie wird morgen abgeschafft, Politiker übergeben die Macht ans Volk und alle Verantwortlichen sämtlicher Casting-Shows begehen in einem Akt der Nächstenliebe kollektiv Selbstmord. Bitte noch mal.
Wer sich bis dato von keiner BAD RELIGION-Platte missionieren ließ, wird auch nach „New Maps Of Hell“ ignoranter Atheist bleiben oder Götzen huldigen. Für die in einer Glaubenskrise steckenden Teile der Punkrock-Gemeinde jedoch ist das vorliegende Werk ein Hoffnung stiftendes Evangelium. Amen.