Bayside – The Walking Wounded

BAYSIDE sind zurück. Mit ‚The Walking Wounded’ legen sie einen richtig schicken Silberling vor, der einem heiß und kalt den Rücken herunterläuft. Eine Scheibe voller Pathos. Ein ungewöhnliches Werk. Ein Album, das einen von einer extremen Stimmungslage in die nächste wirft, das von einem Ruhepart in den nächsten springt, ein definitiv völlig unvorhersehbares Album, und, leider Gottes, auch alles andere als eingängig. Was BAYSIDE auf ihren ersten beiden Scheiben stellenweise schon angedeutet haben, ist nun vollends umgesetzt worden: weg vom Emo, hin zum Independent-Rock. Mit ‚The Walking Wounded’ präsentieren sich die vier Herren aus Long Island reifer und den Dingen erhabener als noch auf dem selbstbetitelten Album (das ‚Accoustic’-Album klammern wir an dieser Stelle mal als Trauerbewältigung vom Unfalltod des ehemaligen Schlagzeugers John Holohan aus), schreiben die Songs so, wie sie es für richtig halten, ohne Rücksicht auf Radioquoten oder Trends zu nehmen.
Das Albumcover ist sehr schlicht gehalten, aber besticht durch einen hohen Wiedererkennungsfaktor und eine nette, fast freundlich wirkende Farbwahl. Die Flagge mit den Brandlöchern passt als Symbol für den Albumtitel ‚The Walking Wounded’ perfekt: trotz einiger Blessuren weht die Fahne immer noch im Wind, und das Hauptmotiv ist bislang noch unangetastet.
Die Produktion dieses eher träge zugänglichen Langrillenwerks lag in den Händen von Shep Goodman und Jenny Gioia und kann sich wirklich hören lassen. Sehr schön wird hier mit unterschiedlichen Lautstärken gearbeitet, mal kracht es, um dann wieder verschwindend leise im Hintergrund zu säuseln: wie gesagt, vielschichtig und schwer verdaulich. Das soll keinesfalls bedeuten, dass BAYSIDE ein schlechtes Album vorgelegt hätten, mitnichten. Vielmehr sind die Songs auf einem solch konstant hohem Niveau angesiedelt, dass es mehr als nur ein paar Hördurchläufe benötigt, bis sich einem die einzelnen Lieder in ihrer ganzen Größe erschließen.
Obwohl die Songs alle einen recht melancholischen Touch haben, geht es in dem Album eher genau um das Gegenteil, nämlich darum, dass es immer weitergeht, egal, wie schwer einen das Schicksal auch treffen mag. Mit ‚Duality’ und ‚The Walking Wounded’ präsentieren BAYSIDE im übrigen die beiden wohl eingänglichsten Songs des Albums auf Myspace, der Rest der Songs liegt stilistisch irgendwo zwischen Weezer, Jimmy Eat World und Alkaline Trio, was wohl unter anderem auch an dem so unbeschwert und effektfrei klingenden Gesang von Anthony Raneri liegen mag, der auch gerne mal ein paar textfreie Singalongs in die Lieder mit einbaut, denn ein „wohohoho“ versteht wohl ein jeder.
Ein Album ohne große spielerische Schnörkel, aber mit viel Raffinesse im Songwriting, ein Album mit großen Gefühlen und tollen Songs, die aber an einem Vorbeirauschen, wenn man sich nicht vollständig darauf konzentriert. Ein Album, das beim Autofahren keinen, in der heimischen Badewanne aber umso mehr Spaß macht. Für BAYSIDE-Fans ein Pflichtkauf, für Emokids wahrscheinlich zu anspruchsvoll.

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