Castus Rabensang – Rabengesänge

‚Rabengesänge’ ist die Geschichte von einem Mann, der so einsam war und trotzdem so gerne in einem Chor singen wollte, dass er schlicht und ergreifend schizophren wurde und einen Chor mit sich selbst gegründet hat… Zumindest könnte es diese Geschichte sein, denn genau das beschreibt am Besten, was CASTUS RABENSANG (dem einen oder anderen sicherlich bekannt von Corvus Corax) auf seiner Solo-CD bietet: a capella-Stücke, die stimmlich eine enorme Bandbreite erfassen.
Dieser Mann schafft sage und schreibe viereinhalb Oktaven, und das ist deutlich über dem Durchschnitt, also selbst für Sänger eine beachtliche Leistung. Alleine dafür hat sich der Mann einen Orden verdient. Aber auch die Breite Streuung, in der er sein Liedgut sucht, ist bemerkenswert, und das zeigt er auch durch die vielen unterschiedlichen Sprachen, in denen er seine Interpretationen zum Besten gibt: Altenglisch, Normannisch, Altfranzösisch, Latein…
Zugegeben, wer 20 Jahre lang historische Musik studiert hat, dem sind diese Sachen alle nicht ganz fremd, aber er bringt sie trotzdem recht unbeschwert rüber, ohne dabei aufgesetzt oder gestelzt zu klingen. Was die Aufnahme seines Gesangs betrifft: es ist schwierig, ein a capella-Werk zu klassifizieren, besonders, wenn es sich um meist mittelalterliche Lieder handelt, die man, wenn schon im historischen Gewand, dann doch aber zumindest begleitet von Laute, Flöte, Dudelsack oder Trommel, kennt. Was man aber mit Bestimmtheit sagen kann ist, dass die Aufnahme klar verständlich ist und recht viel Raum einnimmt.
Den kompositorischen Aspekt darf man bei solch einer Aufnahme auf gar keinen Fall vergessen zu erwähnen. Entweder, der Mann hat sich die teilweise bis zu 200-fach übereinander liegenden Stimmen im Kopf zusammengebastelt (was nahezu nicht machbar ist, es sei denn, man heißt Mozart), oder aber es mussten nach und nach alle einzelnen Stimmen zusammengestellt werden. So oder so, hinter diesen Lieder steckt jede Menge Arbeit.
Leider müssen wir aber auch zu dem „aber“ kommen: Die Lieder sind zwar ganz nett, etwas gänzlich anderes als der normale Musik-Alltag, aber dauerhaft kann das ganze nicht begeistern, zumal CASTUS RABENSANG auch stimmlich zwar eine enorme Vielfalt an den Tag legt, auch eine ganz nette Stimme hat, aber keinesfalls der große Gesangskünstler ist, den er uns auf ‚Rabengesänge’ darbieten will. Wer sich halbwegs in klassischem Gesang auskennt, kann feststellen, dass dazu mehr gehört, als nur viele Töne zu treffen und ganz viele unterschiedliche Stimmen übereinanderzulegen.
Ein Album mit Sonderstatus, da es solche Veröffentlichungen so gut wie nie gibt und es sich um ein absolutes Nischenprodukt handelt. Nett, interessant, und gelegentlich auch richtig toll, aber nichts von Dauer.

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