Eine der schwersten Entscheidungen für einen Musiker ist wohl, wenn man jahrelang für den Erfolg der eigenen Band arbeitet, und dann, wenn es darum geht die Lorbeeren dafür einzuheimsen, aus gesundheitlichen Gründen einen Rückzieher machen zu müssen. So erging es Martijn Westerholt, seines Zeichens ehemaliger Keyboarder von Within Temptation, als diese den Durchbruch schafften und fortan vor ausverkauften Hallen spielten. Umso tragischer wird die Geschichte noch, als dass sich Martijn kurze Zeit später wieder erholte und in der Lage gewesen wäre, wieder mitzumischen. Aber der Zug war abgefahren.
Jetzt ist er mit eigener Band zurück, wandelt auf denselben musikalischen Pfaden, hat sich ein paar prominente Gastmusiker für die CD-Aufnahme mit an Bord geholt und fordert jetzt die verdiente Anerkennung für seine harte Arbeit ein. DELAIN gehen es auf ihrem Debütalbum ähnlich pompös an wie die „große Schwester“ Within Temptation, sind insgesamt aber ein wenig ruhiger in ihrem Songwriting. Wer die leise Hoffnung hatte, Delain würde musikalisch eher da anknüpfen, wo ‚Enter’ geendet hat, nämlich dem Wechselspiel von filigranem weiblichen Gesang und düsteren Grunts, der wird hier nur teilweise enttäuscht. Allerdings scheinen die Tage vorbei zu sein, wo man mit dieser Wechselwirkung noch jemanden hinter dem Ofen hervorholen konnte, denn durch die insgesamt eher einheitliche Gesangsgestaltung verliert dieses Genre an Tiefgang und Variabilität, denn im Endeffekt läuft nun doch alles auf dicke Arrangements von den Keyboards, fettes, wenn auch recht simples Stakkato-Riffing von Gitarren uns Bass, einen schleppenden Drumbeat darunter und der glockenhellen Stimme der jeweiligen Frontfrau hinaus.
Nicht so bei DELAIN: Charlotte Wessels hat nur wenige Soloauftritte auf dieser Scheibe und wird die meiste Zeit von ihrem jeweiligen Duettpartner bzw. ihrer Duettpartnerin unterstützt. Und hier reicht sich die Prominenz quasi die Klinke in die Hand: Orphanage-Grunzbacke George Oosthoek und Nightwish-Basser-und-Co-Vokalist Marko Hielata, Liv Kristine Espenaes Krull von Leaves Eyes, Sharon den Adel von Within Temptation… Das sorgt für reichlich Abwechslung im Gesangsbereich, auch wenn das Instrumentale im Hintergrund mehr und mehr nur begleitende Funktionen zugeordnet bekommt.
Ein insgesamt beeindruckendes Erstlingswerk, das ein wenig daran kränkelt, dass es ihm an einem richtigen „Hit“ oder herausragenden Song fehlt. Anspieltipps sind die deutlich schnellste Nummer ‚A Day For Ghosts’, ausgerechnet einer der Songs, wo Charlotte nichts zu tun hat, dafür aber bieten sich Liv Kristine und George Oosthoek ein klassisches Duell, und der gesamte Song geht insgesamt deutlicher nach vorne als die restlichen Nummern, die alle eher im Midtempobereich angesiedelt sind, um Gesangsmelodien Platz zu schaffen, sowie der Bonus Track ‚Deep Frozen’, welcher einen Remix von ‚Frozen’ darstellt, allerdings ebenfalls mit Grunts versetzt. Ich gebs zu, erwischt, ich bin Orphanage-Fan… Wer mehr über DELAIN erfahren will, kann sich sowohl auf Homepage oder Myspace schlau lesen, oder sich ebenfalls das INTERVIEW anschauen, das wir mit Martijn Westerholt geführt haben.