Distance In Embrace – To hell with honesty

Ich habe das Schreiben dieser Zeilen lange vor mir hergeschoben. So erklärt sich, dass dieses Review doch zwei Monate nach dem Release erst hier erscheint. Böse Zungen mögen mir Faulheit vorwerfen, doch die Wahrheit ist, dass ich ein musikalischer Phasenhörer bin und zur Zeit der von DISTANCE IN EMBRACE praktizierte Metal-Core gerade bei mir nicht unbedingt Phase ist. Die immer öfter eintreffenden Anfragen nötigen mich nun zu einem Statement…wohl denn, hier kommt es.

Ich hätte dies auch schon früher schreiben können, doch wollte ich dem Umstand aus dem weg gehen, den vier Mindenern Unrecht zu tun. Keine Angst, das wird jetzt auch nicht geschehen. Dazu ist „To Hell With Honesty!“ einfach viel zu gut. Schnell stellte ich fest, dass das Quartett um Adrian Reinboth hier ein großartiges Werk vorgelegt hat, welches man beim ersten unbedachten Hören nicht unbedingt einer deutschen Band zuschreiben würde, ohne klar zu wissen, was man von einer deutschen Band eigentlich erwartet.

Das Drittwerk der Ostwestfalen ist ein Dokument ihres Fleißes, ihrer Zielstrebigkeit, ihrer Kreativität. Mit hunderten von Auftritten im In- und Ausland sowie zahlreichen Supportshows für internationale Größen wie IGNITE, DEATH BY STEREO, WITH HONOR oder SATANIC SURFERS haben sich die Jungs unlängst einen Namen in der Szene gemacht. Das vorliegende Album unterstreicht dies, weil letztendlich alles passt: Songwriting, Produktion, Artwork. Alle Beteiligten verstehen etwas von ihrem Handwerk und gehen professionell und ambitioniert zur Sache. Jedoch stößt das Produkt auch an die Grenzen des Genres. Natürlich kann man vorgehen und alles genau analysieren, was bei DISTANCE IN EMBRACE nun anders ist als bei anderen, doch wenn man ehrlich ist, verfahren die Mindener nach dem allgemeingültigen Prinzip Brutalität versus Sanftheit, Geschrei versus Gesang. Wobei das Gekeife stellenweise richtig nervt, die Melodieparts jedoch hier nicht stark genug gelobt werden können. Dieses Vorgehen funktioniert auch im Jahre 2009 noch, schließlich machen andere dies auch, allerdings wirkt es vorhersehbar.

Das größte Problem habe ich letztendlich nicht mit der Musik, wohl aber mit dem Albumtitel. Zum Teufel mit der Ehrlichkeit, was soll das heißen? Man möchte dem Szenemonster mit seinen willigen Dienern, den Kajalstift tragenden Affen ins Gesicht spucken. OK, von mir aus. Aber sind DISTANCE IN EMBRACE wirklich out of scene? Das muss man dann doch verneinen, wenn man sich Bandfotos ansieht und Songtexte durchliest, auch ohne Trauerbemalung.

Aber es stellt sich die Frage, wo die Punkrock-Tage geblieben sind. Punkrock? Jaja. Denn während andere zum Vergleich DISTANCE IN EMBRACEs Vorgängeralben als Referenz anführen, habe ich mir einmal das Vergnügen gegönnt, in meiner alten Demo-Kiste zu wühlen und stieß auf zwei CDs von RENT A TENT, der Vorgängerband, die personell mit Ausnahme des Bassers die gleiche Besatzung ausweisen kann. Schnell stellte ich fest, dass ich damals wie heute einen Song wie „Otherself“ für großartig halte. Der Rest weicht dann allerdings der Ernüchterung, dass früher doch nicht immer alles besser gewesen ist, aber irgendwie ehrlicher. Man verzeihe mir dieses Wortspiel. Ich gratuliere DISTANCE IN EMBRACE zu ihrem neuen Album, wünsche ihnen viel Erfolg in der Zukunft und hoffe, dass sie sich in Anbetracht der ganzen Szeneregeln noch bewusst sind, wo sie herkommen. Grüße, Carsten von LUKA.

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