DREAM THEATER sind zurück. Nach ihrer gerade erst mit Live-DVD und Live-CD gefeierten 20-jährigen Existenz sollte man der Meinung sein, dass es keine Steigerung im musikalischen Sektor mehr geben könnte, aber ein weiteres mal schaffen es die Herren Portnoy, Petrucci, Myung, LaBrie und Rudess, dem geneigten Zuhörer die Kinnlade nach unten klappen zu lassen.
An und für sich ist jede weitere Zeile über DREAM THEATER überflüssig, da wohl so ziemlich jede Form von Lobpreisung bereits geschrieben wurde, und das Vokabular, um dem Können dieser fünf Ausnahmemusiker gerecht zu werden, muss erst noch neu erfunden werden. Mit ‚Systematic Chaos‘ liefern sie acht neue Songs zum staunen ab. Progressivmusik, die eigentlich nur noch rudimentär Metal genannt werden dürfte, sondern eher Demonstration von Stärke und Können. Was allerdings recht schnell klar wird: DREAM THEATER haben seit langem kein so kontinuierlich hartes Album aufgenommen. Vielleicht liegt es an dem Labelwechsel zu Roadrunner, vielleicht daran, dass man mal wieder ein paar aggressivere Stücke live präsentieren wollte, egal, denn diese Wiederentdeckung der härteren Gangart steht ihnen sehr gut zu Gesicht.
Wie schon in den letzten paar Jahren auch haben sich Schlagzeuger Protnoy und Gitarrist Petrucci als Co-Produzenten betätigt, die Hauptverantwortung im Produktionsbereich lag allerdings bei Paul Northfield, der in der Vergangenheit schon für Bands wie Rush oder Queensryche gearbeitet hat und daher durchaus Erfahrungen im Progressiv-Sektor vorweisen kann. Unnötig zu erwähnen, dass die gesamte Produktion selbstverständlich auf absolutem Top-Niveau liegt wie alles andere halt auch.
Textlich ist auf ‚Systematic Chaos‘ wieder viel unterschiedliches Material verarbeitet worden. Teilweise befassen sich die Songs mit Fantasy-Themen, jenseits aller Realitätsbezüge, in ‚Prophets Of War‘ bezieht hingegen James LaBrie Stellung gegen den Krieg der Amerikaner gegen den Irak, und Protnoy schreibt in ‚Repentance‘ über die achte und neunte Stufe der anonymen Alkoholiker (ein Langzeitprojekt, das auf dem nächsten Album seinen Abschluss finden wird). Wo bei den Texten nur Portnoy, LaBrie und Petrucci Hand anlegten, war die gesamte Band am Songwriting beteiligt, welches dann bei den Aufnahmen von September letzen Jahres bis Januar diesen Jahres seinen Abschluss fand.
Zugegeben, DREAM THEATER ist sicherlich keine Band, die man sich tagtäglich zur Entspannung anhören kann, und auch Tanzbarkeit ist ein Wort, das mit dieser Band nicht unbedingt in Einklang gebracht werden kann, aber insbesondere Musiker dürften an dem neuen Album wieder sehr viel Freude haben, denn es dürfte wirklich schwer werden, überhaupt irgendeine Band zu finden, die sich musikalisch auf einem ähnlich hohen Niveau bewegt und dabei nicht nach Lehrbuch-Aufnahme klingt, sondern durchaus noch gehörfreundliche Songstrukturen erkennen lässt.