Kaum eine Band, über die ich in letzter Zeit schreiben musste, war so sperrig wie GENGHIS TRON. Dabei ist das Material nicht schlecht, was sich einem hier nach ein paar Durchläufen erschließt. Nur leider sind die Songs im ersten Ansatz in etwa so schwer verdaulich wie die Blinis von den Klitschko-Brüdern.
Ich mache also einen kurzen Trip in meinen Kopf herein, wandere dort zu der riesigen Regalwand, wo die einzelnen Musikschubladen drin sind, und ziehe die Schublade Chaoscore auf. Platz wäre zwar noch, aber irgendwie passt das da nicht so richtig rein. Dann überlege ich schnell, wo ich doch gleich Alben wie Fear Factory´s diverse Remix-CD´s hingepackt habe. Elektro-Irgendwas? Genau! Aufgezogen. Nein, auch hier will GENGHIS TRON nicht wirklich hingehören. Ich ziehe also zwischen diesen beiden Schubladen eine Gerade, und genau mittig davon liegt? Ja, schon eher! Eine kleine, verwaiste Schublade, in der ich zwischenzeitig mal The Devil Wears Prada oder Enter Shikari reingelegt hatte, das dann allerdings irgendwann für Platzverschwendung deklariert hatte.
Elektrokeyboards und Synthesizer wabern bedrohlich aus meinen Boxen, bis das ganze dann plötzlich in ein Unwetter aus schiefen Gitarrenakkorden, Kreischgesang und hektischem Schlagzeug umschlägt. Verwirrt betrachte ich meine Stereoanlage. Nein, die CD ist nicht gesprungen, und ich habe auch nicht ein kurzes Nickerchen gehalten. Das ist so gewollt.
Dann wieder Elektrozeug. Darüber liegt sauber gesungener Text, meine Ohren können sich entspannen. Aber die Freude ist nur von kurzer Dauer, denn schon poltert GENGHIS TRON wieder los. Eine krasse Achterbahnfahrt ist das, die hier geboten wird, zwischen 80er-Jahre-Synthie-Mucke und neumodischem Chaoscore, der an sich schon verwirrend genug wäre, auch ohne nach Midieffekt klingenden Gitarrenspuren.
Das Trio aus New York macht irgendwie seinen eigenen Weg, achtet nicht auf irgendwelche Trends, und schert sich (salopp gesagt) einen feuchten Kehricht darum, dass sie mit Gesang, Keyboard und einer Gitarre eigentlich alles andere als vollbesetzt ist. Fehlende Instrumente wie Schlagzeug oder Bass werden einfach dazuprogrammiert bzw. gesampled. So kann diese Band es sich dann auch erlauben, mit The Dillinger Escape Plan zusammen auf Tour zu gehen oder eine ausschweifende Welttournee zu planen.
Relapse Records haben mal wieder bewiesen, dass sie immer mal wieder Acts unter Vertrag nehmen, die auf den ersten Blick alles andere als Mainstream (also für Metalverhältnisse Mainstream) sind, und dabei wieder ihr Gespür für das Andersartige an den Tag gelegt. GENGHIS TRON ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber wer sich mit dieser skurrilen Mixtur anfreunden kann, wird sie fortan für immer lieben! Übrigens: für diejenigen, die das Album abfeiern, sei noch ein anderer Tipp genannt: hört doch auch mal in Fredrik Thordendals Special Defects rein, das ist das Soloprojekt vom Meshuggah-Gitarristen, wo er sich in ähnlich abgedrifteten Klangwelten aufhält. Stressig, anstrengend, aber nicht minder cool.