Richtig. IN FLAMES sind und bleiben Metal. Aber wenn man etwas Richtiges über das Quintett aus Schweden sagen will, dann das, dass sie polarisieren. Nicht die Welt, aber zumindest ihre Fans. Schütteln die Nörgler der alten (Göteborger) Schule nur noch mit dem Kopf, so ergötzen sich Neuankömmlinge an der Mischung aus Aggression und Melodie.
Veränderungen können schleichend sein. Man hat Zeit, sich an sie zu gewöhnen, sich neu einzuordnen. Oder die Veränderungen kommen schlagartig, wie eine Revolution. Man fühlt sich hilflos den Neuerungen ausgesetzt, überfordert, sehnt sich nach den alten Zeiten zurück. Bei IF verhält es sich wie in Beispiel 1. IN FLAMES machen modernen, klischeefreien Metal für das 21. Jahrhundert. Basta! Ständig haben die Schweden ihren eigenen Stil weiter ausgebaut, ohne ihre eigenen Wurzeln zu verneinen. Das sieht man schon an den Setlists ihrer Konzerte, die Songs aus allen Epochen enthalten. Schließlich ist die Veränderung auch nicht auf die Aufnahme neuer Musiker zurückzuführen. Seit „Colony“ besteht die Band aus dem gleichen Line-up!
Worin besteht also diese ominöse Veränderung? Viele sagen, dass es sich dabei um die Melodisierung handele. Aber ist das wirklich so? IN FLAMES waren schon immer melodisch, auch in den Tagen von „The Jester Race“. Das macht sie ja auch so interessant. Jedoch wurde die Melodie von den Gitarren in den Jahren langsam aber sicher auch auf den Gesang von Anders Friden übertragen. Infektion schreien die einen, Evolution die anderen.
Betonten „Colony“ und „Clayman“ den Groove, so kamen mit „Reroute To Remain“ und „Soundtrack To Your Escape“ elektronische Spielereien hinzu, wohingegen „Come Clarity“ die Clean-Vocals (bitte nicht mit zuckersüß-Metalcore-clean verwechseln) stärker herausarbeitete und die Gitarren schneidender gestaltete. Hier setzt das neue Werk „A Sense Of Purpose“ nahtlos ein. Die Single „The Mirror´s Truth“ oder Songs wie „Delight And Angers“ und „March To The Shore“ verdeutlichen, wofür IN FLAMES im Jahre 2008 stehen: Aggressive Grundstimmung, Präzises Riffing, MAIDEN-lastige Licks, epische Refrains, ob und zu ein kurzes akustisches Zwischenspiel oder Keyboard-Passagen. Als Totalausfall oder absoluten Höhepunkt – je nach dem – dürfte sich der nur langsam und bedacht aufbauende, knapp 9 Minuten dauernde Song „The Chosen Pessimist“ herausstellen. Aber die Skip-Tasten gibt es schließlich ja zum vor- und zurückstellen.
Abgerundet wird das Gesamtpaket durch die aufwendige und sehenswerte Verpackung und die in der Deluxe-Version beiliegende DVD, die in Spielfilmlänge die Produktion der neuen CD dokumentiert.
Zum Schluss kann ich nur sagen, dass ich mit „A Sense Of Purpose“ durchaus glücklich bin und den ganzen Katalog der Schweden als hörenswert ansehe. Schade, dass das nicht alle tun.