Jesus On Extasy – Beloved Enemy

Mit ihrem zweiten Album hat sich die Band vorgenommen, das Genre Industrial komplett neu zu definieren. Große Worte! Es sei vorab gesagt: die Scheibe ist durchaus gefällig und nicht wirklich standardmäßig, aber von einer Neudefinition würde ich nicht reden. Vielmehr ist die Scheibe erstaunlich ruhig und massentauglich ausgefallen, hat relativ wenig Ecken und Kanten, und ganz ehrlich: bei einem so kontrovers ausgelegten Bandnamen hätte ich mehr Anstoß erwartet.
Die Art und Weise, wie JESUS ON EXTASY an ihr Songwriting herangehen, ist vom standardmäßigen Industrial schon fast komplett weg. Als Kernelement findet sich in jedem Song ein relativ seichtes, rockiges Gitarrenriffing, Elektro-und Keyboardsounds füllen die Räume, die sich bei der sonst eher klaren, übersichtlichen Produktion auftun (und ja, mit klar und übersichtlich ist auch gemeint, dass ein wenig mehr Druck durchaus positive Aspekte hätte haben können). Der Gesang ist charismatisch, die meiste Zeit melodiös und versucht, eine möglichst düstere Stimmung aufzubauen. Also soweit alles in Butter, massentauglich, stellenweise auch recht gut tanzbar. Gehässig würde ich von GothicRock sprechen wollen, der mit einem Hauch Industrialanleihen verziert wurde.
Wie dem auch immer sei: die ganze Geschichte ist insgesamt rund geworden und weiß zu gefallen. Zugegeben, es wirkt alles irgendwie ein wenig handzahm und auf nett getrimmt, aber nur weil eine Band sich einem breiteren Publikum hin öffnen will, sollten sie nicht gleich verteufelt werden. Was mich allerdings dann doch ein wenig enttäuscht, sind die ebenfalls handzahmen Texte. Es wirkt irgendwie alles gewollt düster und bedrohlich, ohne dabei wirklich überzeugen zu können und authentisch zu klingen. Hat sich die Band diesbezüglich in der Pflicht gesehen? Gut, genauso wenig würde man ihnen wohl abnehmen, wenn sie plötzlich über hübsche Sonnenaufgänge, Blumen und Heiterkeit singen würden. Aber nichts desto trotz stellen die teilweise über Knie gebrochenen Zwangsreime die Strapazierfähigkeit des eigenen guten Geschmacks schon ab und an hart auf die Probe.
Nun gut, verglichen mit vielen anderem Bands, die in ähnlichen Gewässern schwimmen und deutlich mehr Dienstjahre und Jahre der Selbstfindung hinter sich haben, sind JESUS ON EXTASY mit ihrem gerade mal zweiten Album ja noch quasi brandneu und können noch viel experimentieren, aber eben auch vieles noch optimieren. Ich will der Scheibe aber zu gute halten, dass sie trotz der Tatsache, dass es musikalisch nicht hundertprozentig meinen Nerv trifft, mehr als nur ein-zweimal den Weg in meinen Player gefunden hat. Denn die grundlegenden Ideen, die in den Songs stecken, sind wirklich gut. Das Album erscheint zusätzlich zu der Standardversion mit 13 Tracks noch als streng limitierte Special Edition. Hier gibt es dann noch zwei Remixes von ‚Beloved Enemy’, eine Liveversion von ‚Neochrome’ sowie eine Akkustikversion von ‚Alone’ als Bonustracks satt oben drauf. Da lohnt sich der frühe Gang ins Plattengeschäft eures Vertrauens!

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