Während die anderen Kinder der Roadrunner-Familie draußen spielen, dabei lautstark rumschreien und rumplärren, ständig mit Steinen auf vorbeifahrende Autos schmeißen und von den gesitteten Nachbarn, die schnell die Wäsche abhängen, argwöhnisch bis ablehnend beäugt werden, sitzen die KIDS brav zu Hause in Penpedairheol und feilen an ihrem sonnigen Poprock.
Penpedairheol? Wo bitte liegt das denn? Ganz einfach. An einem Ort, an dem entgegen aller Vorstellung sogar Palmen wachsen, nämlich in Süd-Wales nahe Cardiff. Und das dank des warmen Golfstroms. Soviel zur Allgemeinbildung. Aber anstelle dieses Erdkundeexkurses geht es um die walisische Musik. Und die hat in den letzten Jahren hervorragende Bands wie FUNERAL FOR A FRIEND oder LOSTPROPHETS hervorgebracht, die man beim ersten Hören nicht unbedingt mit Großbritannien, sondern eher mit Amerika in Verbindung gesetzt hat. Das dies alles ins richtige Licht gesetzt wurde, dafür sorgte im Falle der KIDS der Kerrang!, dessen Leser die Glashausbewohner unter die „10 Hottest Bands On The Planet“ gewählt haben. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass nach der ersten EP „E-Pocalypse“, von der immerhin 1500 Einheiten abgesetzt werden konnten, die Single „Easy Tiger“ vom neuen Full-length direkt von 0 auf 29 in die britischen Charts einstieg.
So rosig auch die Zukunft von KIDS IN GLASS HOUSES aussehen mag, „Smart Casual“ ist lediglich der erste Schritt, der zwar Großes erahnen lässt, jedoch ausgebaut werden muss. Vieles stimmt bereits. Diese ergreifenden poppigen Melodien, die man auch im Deutschen immer so gerne mit dem Anglizismus catchy beschreibt. Diese ideenreichen Gitarrenspielereien, die angenehm unaufdringlich im Hintergrund mitspielen. Dieses zum Tanzen auffordernde Disco-Gefühl. Und diese sympathische Stimme von Aled Phillips jenseits vom schiefen Emo-Geheule. Und auch, so ungern man als Mann das zugibt: Die Jungs sehen schon süüüüüüüß aus, was sich sicherlich bei jüngeren weiblichen Fans in Form von Aufmerksamkeit, heißt Absatz bemerkbar machen dürfte.
Und doch muss ich zu guter Letzt ein wenig nörgeln. Kann ja nicht jeder immer alles toll finden. Also, so sehr der Beginn der Scheibe mich zu erfreuen weiß, so sehr bin ich doch ein bisschen enttäuscht darüber, dass den Jungs ab der zweiten Halbzeit ein wenig die Puste ausgeht. Was mitunter auch darin daran liegt, dass „Smart Casual“ nicht das hält, was der Opener „Fisticuffs“ verspricht. Mit dem hat man nämlich den Großteil seines Rock-Schießpulvers verballert, welches dann bei den weiteren elf Geschossen fehlt. Ein Grund hierfür mag Produzent Romesh Dodangoda sein, der ebenfalls wie bei der letzten FUNERAL FOR A FRIEND doch ein bisschen viel Weichspüler hinzugefügt hat. Jedoch sollte das den KIDS nicht den Weg raus aus dem Glashaus in die weite Welt versperren, wo sie dann endlich mit Steinen schmeißen dürfen und es auch einmal ausprobieren sollten.