Ein paar Gitarren dudeln, ein Schlagzeug trommelt los, Gesang setzt ein und schon ist man mittendrin in LOVE HATE HERO´s neuem Postcore-Emo-Knaller ‚White Lies’. Es fällt einem wirklich schwer, genau in Worte zu fassen, was es ist, was diese Scheibe von so vielen anderen Erscheinungen abhebt. Das Thema „innovativer Emocore“ ist hiermit bewiesenermaßen definitiv noch nicht beendet.
Auffällig ist die Häufigkeit, in der wirklich zweistimmig gesungen wird. Hier teilten sich die beiden Gründungsmitglieder Pierrick Berube und Paris Bosserman (welcher nebenbei auch Bass spielt) die Arbeit. Hierbei wird keinerlei Rücksicht darauf genommen, dass die Gesangspassagen teilweise ein wenig gequiekt klingen und deutlich jenseits des normalen Stimmbereiches liegen, aber im Zusammenklang wirkt dies erfrischend anders als das mittlerweile schon standardmäßige „sauber Singen vs. fies Schreien“, was auf der Scheibe ja auch nicht zu kurz kommt. Gleich drei neue Mitglieder auf einer neuen Scheibe zu präsentieren, ist sicherlich ein gewagter Schritt, und mit dem Austausch beider Gitarristen (wobei Paris früher Gitarre spielte) sollte man annehmen, dass sich der gesamte Stil den neuen Gegebenheiten angepasst haben könnte. Wenn dies der Fall sein sollte, dann nur in Form einer konsequenten Weiterentwicklung auf ein Level, das schon nur noch schwer zu toppen ist.
Sicherlich sind auf ‚White Lies’ auch genügend Schnellkochgerichte aus der Emoküche, die auf der Speisekarte halt einfach nicht fehlen dürfen, aber die Art und Weise, wie die noch sehr jungen Musiker diese Sachen verarbeiten, lässt doch an mancher Stelle erstaunen. Insbesondere das Gitarrenspiel liegt auf einem äusserst hohen Niveau, und man lässt es sich nicht nehmen, immer wieder durch kleine Einwürfe oder Gitarrensoli darauf hinzuweisen.
Klanglich fehlt der Scheibe ebenfalls nichts. Schlagzeug und Bass bilden ein dickes Fundament, auf dem aufbauend die Gitarren ordentlich losröhren können, und im Gegensatz zu vielen anderen Emoplatten ist der Gesang nicht allzu sehr in den Vordergrund gerückt worden.
Sollten Anspieltipps benötigt werden, so kann man getrost behaupten, dass eigentlich jeder einzelne Song dieser Scheibe seine eigenen kleinen Höhepunkte hat und sich kaum Schwachpunkte zeigen, nichtsdestotrotz ist als kleines Highlight in Bezug auf „Coloratur-artigen“ Gesang ‚Of Sound & Fury’ zu nennen, der mit seinem Refrain etwas so bisher nie da gewesenes darstellt, allerdings sind auch die auf Myspace zu bewundernden Titel ‚Goodbye My Love’, ‚Amity’ und ‚Red Dress’ nicht wirklich schlechter. Insgesamt ein wirklich vielschichtiges Album, das vor allem Freunden des cleanen mehrstimmigen Gesangs viele schöne Stunden bereiten wird, das sich aber genauso gut die Nachkommen von Iron Maiden gefahrlos anhören können.