Misery Signals – Mirrors

Wenn es sich anfühlt, als würde der Zahnarzt den Schlagbohrer ansetzen, dann hört ihr gerade die neue Misery Signals! Eigentlich ist hiermit schon fast alles über das neue, brachiale und total untrendy gestaltete Album von ‚Misery Signals’ gesagt. Man hört es, es zieht einem die Schuhe aus, Ende. Ich soll trotzdem noch ein wenig über das Album schreiben? Na gut, ihr habt es nicht anders gewollt.
Gleich in den ersten Sekunden setzen die 5 Kanadier ein dickes Ausrufungszeichen. Mit neuem Frontmann ist es sicherlich nicht die leichteste Aufgabe, die alten Fans zu überzeugen, aber schon in dieser Anfangssequenz wird klar: Karl Schubach, der neue Mann am Mikro, ist eigentlich nur ein Monster in Menschengestalt. Die Stimme steht seiner beeindruckenden Schrankwand-Körperstatur in keinster Weise nach.
Mit schrillen Akkorden, ungeraden Rhythmen und nur noch zählbaren Takten sägen sich die Gitarren durch die Songs, ohne in irgendeiner Form Gnade walten zu lassen, aber immer irgendwie auch mit einer Spur Melodie darin. Bombastisch. Ein Stakkato-Gewitter jagt das nächste, immer gestützt durch das tighte Schlagzeug und ein dickes Bassfudnament. Die Produktion der Scheibe hatte kein geringerer als Ben Schigel in der Hand (u.a. auch Chimaira und Zao), das Ergebnis lässt sich bei aller Dissonanz und den ganzen atypischen Beats trotzdem sehr gut hören.
‚Misery Signals’ haben allerdings auch sehr großen Wert auf ein optisch sehr gelungenes und durchdachtes Cover gelegt. In Goldglanzschrift prangt das Bandlogo auf einer Fotocollage von Portraitfotografien. Diese Bilder sind im Inlay dann jeweils im Original und in einer entstellter Form zu sehen. Grandioser PR-Gag: auf der Homepage der Band kann man sich mit eigenen Fotos anmelden, die dann als eine Art Dia-Show auf der Tour im Hintergrund abgespielt werden, in gleicher Machart wie die CD, versteht sich…
Wenn man diesem Monster an Musikstücken etwas anlasten kann, dann ist es die Tatsache, dass die Songs auf Grund ihrer Art nicht gerade als leicht eingängig betitelt werden können. Es bedarf schon den einen oder anderen Durchlauf, bis man sich an einzelne Passagen erinnern kann, da sich die Riffs nahezu nie wiederholen. So ist man versucht, sich anhand von Textzeilen an die Songs zu erinnern. Da das Gebrüll allerdings nicht sehr variabel ist, sind auch hier Schwierigkeiten vorprogrammiert.
Dies schadet dem Album an sich allerdings nur wenig, denn somit bleibt die CD jedes Mal aufs Neue ein Erlebnis für den Hörer. Musik, die definitiv nichts für feinfühlige Leute oder empfindliche Ohren ist. Wer aber Bands wie Dillinger Escape Plan oder Shai Hullud abfeiert, für den ist ‚Mirrors’ geradezu ein Pflichtkauf. Wer meinem Urteil immer noch nicht blind vertraut, kann sich aber auch gerne bei Myspace, auf der Bandhomepage oder bei Obi Beweise hierfür anhören. Genau dieses Album habe ich von ‚Misery Signals’ erwartet, und meine Vorfreude hat sich bezahlt gemacht. Anspieltipps? Eigentlich alle Songs, aber wer es ganz genau wissen will, sollte sich den Opener ‚Face yourself’, die brutale Walze ‚Something was missing, but it was never you’ oder aber das psychedelisch angehauchte ‚An offering to the insatiable sons of God (Butcher)’ anhören.

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