Natalie Chandra – Sineater

Zugegeben, Natalie Chandra ist schon eine Sünde wert. Ausgestattet mit schmachtenden Augen, sinnliche Lippen, Kurven an der richtigen Stelle und einem Arschgeweih posiert die Frontfrau der gleichnamigen Band auf dem Cover der Debü-CD, sodass man sie förmlich aufessen möchte. Sex sells. Warum sich die Dame in aufgeklärten und emanzipierten Zeiten zu so etwas hinreißen ließ, bleibt wohl ihr Geheimnis.

Doch auch wenn das Auge nicht vernachlässigt werden sollte, geht es an dieser Stelle primär um den Sinnesbereich der Ohren. Nennen Natalie Chandra (Die Band) solche Kracher wie SOUNDGARDEN, PEARL JAM, KORN, HELMET oder QUICKSAND – welch ein Namedropping – zu ihren Einflüssen, so ist dies auf der vorliegenden CD in keiner Weise zu spüren. Denn das Quintett aus dem Tessin (für die Dummen: das ist der italienischsprachige Teil der Schweiz) macht einfach melodischen Rock. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Handwerklich mehr als solide und gar nicht mal so schlecht. Was an und für sich zwar kein Kapitalverbrechen ist wird erst dadurch zur musikalischen Gräueltat, dass die Songs durch die Produktion in Kontrast zur bergigen Heimat im Süden der Schweiz plattgebügelt daherkommen wie eine Kuhwiese in Schleswig-Holstein. Damit ist man so richtig schön radio-, ja massenkompatibel. Dafür gibt es nur eine Schublade: Mainstream.

Angesichts der musikalischen Lebensläufe der Bandmitglieder, die fast alle eine professionelle Musikausbildung haben, erschrickt der Kritiker ob so viel Berechnung auf kommerziellen Erfolg. Zeichnet sich Bassist Drago Dujak für die professionelle Aufnahme verantwortlich, so hat er doch vergessen den Schalter auf Rock´n´Roll zu stellen. Warum er das getan hat, bleibt wohl sein Geheimnis. Das hätte ihm natürlich Drummer Lorenzo Milani auch sagen können, der unter anderem für die deutsche Metal-Legende Udo Dirkschneider (ACCEPT) getrommelt hat und sich daher mit dem gewissen Kick auskennen sollte. Warum er geschwiegen hat, bleibt an dieser Stelle sein Geheimnis. Warum Sängerin Natalie sich über blöde Jungs beschwert, denen aber nicht lautstark den Marsch bläst, bleibt ihr zweites Geheimnis.

Kein Geheimnis mache ich aus meinen Gefühlen. Hier wird mit voller Absicht Rock´n´Roll weichgespült und auf Radioformat getrimmt. Insofern bestehen die Schweizer mit Bestnote den Badewannentest, den ich mir in meiner Jugend habe patentieren lassen. Wie der geht? Legt euch in die Badewanne, regelt die Stereoanlage auf ein überdurchschnittlich lautes Level und wenn Mama dem Treiben nicht nach drei Minuten ein Ende macht, – wogegen ihr euch natürlich nicht wehren könntet, ihr sitzt ja in der Wanne – ist der Test auch schon bestanden. Alle anderen oben aufgeführten Bands – welch ein Hohn – sind übrigens seinerzeit mit Pauken und Trompeten durchgefallen.

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