Ein Todesbleimärchen: Es war einmal ein Mann namens Chuck Schuldiner (möge seine Seele in Frieden ruhen), der saß im Jahre 1991 mit seiner Band Death im Studio und nahm ein Album auf, dass in der Szene fortan als Messlatte dienen sollte. Als er damit fertig war, stellte er fest, dass noch ganz viele nicht weniger schlechte Ideen übrig waren, die er dann kurzentschlossen mit ein paar befreundeten Musikern (z.B. von Cannibal Corpse) aufnahm. So ganz ohne Gesang wirkte das nun aber nicht, also rief er noch kurz in Florida bei John Tardy (Obituary) an und fragten diesen, ob er nicht Lust hätte, die Songs stimmlich zu ergänzen. Der hatte auch tatsächlich welche, und als die Aufnahmen dann alle im Kasten waren… jetzt schwenke ich von einem Märchen in eine Kriminalgeschichte um: Die Aufnahmen sollten nie das Ohr der Öffentlichkeit erreichen, um den kommerziellen Erfolg des Death Metal nicht allzu sehr zu strapazieren. So wurde man sich schnell einig, die Aufnahmen zu verstecken und nie ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren. 15 Jahre lang wurde der Mantel des Schweigens hierüber ausgebreitet, bis sich vor einigen Tagen 5 junge Herren aus Deutschland dazu erdreisteten, diese Songs unter dem Namen STIGMATIZED der Öffentlichkeit als ihr geistiges Eigentum und Drittwerk zu verkaufen…
Genug herumgesponnen: so war es natürlich nicht, aber genau so klingt dieses Album. Brutal, hemmungslos und auf den Punkt. Hier gibt es technischen Deathmetal der hohen Schule auf die Ohren. Das Schlagzeug rollt über einen hinweg, die Gitarren braten, was das Zeug hält, mit spielerischer Rafinesse werden Läufe in die Songs gezaubert, dass man gar nicht so richtig mitbekommt, wie einem genau geschieht. Der Kopf nickt automatisch mit, wer sich dagegen wehrt, wird mit Nackenschmerzen bestraft.
Die Produktion der Scheibe könnte an der einen oder anderen Stelle sicherlich noch etwas ausgereifter sein (das Schlagzeug klingt etwas zu künstlich, der Gesang steht zu sehr vor dem gesamten Restklängen), nichtsdestotrotz ballern die Songs aus den Boxen und sind klanglich durchaus hörenswert, der Unterschied zu einer richtig großen Profiproduktion ist aber zu merken. Das kann dem Gesamtbild des Albums aber nichts anhaben: ‚Live in despair’ ist ein Kracher. Insbesondere Gesanglich hat sich durch Frontmannwechsel seit dem Voralbum ganz schön was bewegt. Die jetzt wesentlich besser verständlichen vocals vom neuen Mann Michael Lay haben STIGMATIZED eine Stufe weitergetragen. Was vorher noch undefiniertes Gegrunze war, wird nun größtenteils zu einer hassverzerrten Stimme, die mit aller Gewalt aus den Boxen quillt. Leider ließ sich nicht herausfinden, ob auf ‚Live in despair’ noch eine zweite Person das Mikrofon malträtieren durfte, denn teilweise wechselt der Gesang dann doch zu Cannibal Corpse ähnlichen Grunts. Textlich begeben sich STIGMATIZED allerdings nicht auf deren Spielwiese gefüllt mit blutig mordenden Zombies, sondern befassen sich lieber mit ernsthaften politischen Themen und natürlich dem Tod.
Anspieltipps? Das ganze Album! Die Leckerbissen sind allerdings die technisch verspielten ‚Obedience through ignorance’ und ‚Nation from beyond’, wer er lieber gleich deftig mag, sollte sich ‚Unseen force’ anhören.
Soundmaterial zum Antesten gibt es auf der offiziellen Homepage, also hingesurft und angecheckt! Deathmetal ist also doch noch nicht tot in Deutschland!