Mit „Gewehr bei Fuß“ legen STRAIGHT CORNER aus Koblenz ihr zweites Full-Lengh vor. Erschienen beim feinen Indie-Label „Horrorbiz“ aus Lünen beinhaltet der Silberling auf nicht einmal 21 Minuten zehn schnelle, rohbeinige, energiegeladene Punkrock-Songs, teilweise mit deutschen Texten, im Stile der ADOLESCENTS und alter AFI. Oldschool-Punk der 80er und frühen 90er ist die Devise. Dass man damit natürlich das Rad nicht neu erfindet, ist sich die Band durchaus bewusst, jedoch ist „Gewehr bei Fuß“ ein legitimer Vertreter der oftmals unterschätzten und ignorierten deutschen Punkrock-Szene jenseits der Bierpunks aus den Fußgängerzonen.
Bereits die erste Takte geben die Marschrichtung vor: immer nach vorn. Gewöhnungsbedürftig ist jedoch schon beim ersten Einsetzen der Leadgesang von Shouter Rocken. Kaum verständlich und eher schreiend als singend kreischt dieser sich durch die CD, unterstützt von gezielt gesetzten Background-Vocals im tieferen Spektrum, unterlegt von bratenden Gitarren im Mittenbereich und ordentlich Gain, vorangetrieben von einem klassischen Punkrock-Schlagzeug, welches immer auf der zwölf landet. Der Bass geht in diesem Feuerwerk bisweilen etwas unter, hat aber dann seine starken Momente, wenn STRAIGHT CORNER die Lautstärke etwas runterdrehen, sich eine kleine Verschnaufpause gönnen und dem Tieftöner eine Präsentationsplattform geben, nur um danach wieder ordentlich loszuschrammeln. Den Pogo-Mob wird es freuen. Keine Breakdowns. Nur Vollgas.
An dieser Stelle werden die Vergleiche zu alten AFI-Scheiben wie „Proud Of Ya“ evident. Jedoch stellt sich sofort die Frage: Wer braucht eine deutsche Band, die eine amerikanische Combo von vor zehn Jahren imitiert? Zumal A FIRE INSIDE mit ihrem Stilwechsel, der sich bereits auf „The Art Of Drowning“ angekündigt hat und der auf den beiden Nachfolgealben weiter ausgelotet wurde, zu einer der angesagtesten Bands der letzten Jahre avanciert ist. Die Antwort ist einfach. Solche, die keinen Bock auf durchgestylte, glattgeleckte, in Schwarz gekleidete Kajalstift-User haben, die derzeit die Emo- und Metalcore-Szene dominieren und die Herzen kleiner Teenies höher schlagen lassen. Beides hat seine Berechtigung, aber es ist umso anerkennungswürdiger, dass STRAIGHT CORNER – der Szene treu geblieben – sich auf dem ersten Blick für die weniger Erfolg versprechende Variante entschieden haben. Dass sie sich trotzdem im Dezember mit den genialen LOVE EQUALS DEATH (Fat Wreck) auf Tour befanden, ist demzufolge umso erfreulicher.
Kann abschließend attestiert werden, dass die Produktion von „Gewehr bei Fuß“ im guten befriedigenden Bereich liegt, so sollte sich die Band für das unterirdische Design schämen. Cover und Booklet wirken wahllos zusammengewürfelt ohne den Ansatz einer ästhetischen Kompetenz. Die sicherlich lustig gemeinten Band-Fotos sind mehr als peinlich. Da hilf auch das Gimmick von 3D-Bildern inklusive mitgelieferter Brille nichts. Das Geld hätte man sich sparen oder in einen halbwegs begabten Designer investieren sollen.
Stellenweise grenzüberschreitend sind auch die Texte, die sich sozialkritisch mit Themen wie Homosexualität, Wehrdienst, Agrarpolitik, Religion und Leistungsdruck auseinandersetzen. Anspruchsvolle Dimensionen also. Leider verarbeiten STRAIGHT CORNER dies mit dem sprachlichen Tiefenniveau eines Zeichentrickfilms und schrecken auch vor grammatischen Fehlern im Englischen nicht zurück. Das wäre vermeidbar gewesen. Egal. Davon abgesehen ein solides Szene-Output mit ordentlich Pogo-Attitüde, was live sehr viel Spaß machen dürfte.