Die nächste Stressercore-Kapelle schickt sich an, mich ins frühzeitige Endstadium des sich immer deutlicher abzeichnenden Wahnsinns zu treiben. Zumindest war das mein erster Gedanke, als ich Beipackzettel aufschlug und wahllos in die Songs zappte. Ab in die Schublade, erst wieder rausholen, wenn man durch Release-Termin dazu gezwungen ist. Jetzt ist es soweit, ich höre in Ruhe rein, und stelle fest: selten habe ich so daneben gelegen wie hier.
THE NUMBER TWELVE LOOKS LIKE YOU sind nämlich alles andere als stressig. Wer es nicht glaubt, sollte sich das Album am Stück anhören und dann nochmals sein Urteil überdenken. Statt mich aufzuregen, an meinen Nerven zu kratzen und mich musikalisch zu malträtieren (was bei vielen dieser Stressercore-Bands der Fall ist), habe ich hier irgendwie das Gefühl, die Band will Spaß haben. Wo andere Kombos hektisch daherkommen, abgehackt, verstörend, hat man hier eher das Gefühl, wenn die Jungs die ganz grobe Stress-Kelle auspacken (was ganz selten nur der Fall ist), dass sie es eher aus zweierlei Gründen tun: erstens, damit man sie zumindest in irgendeine Kategorie packen kann, zweitens, weil sie noch überschüssige Energie haben, die es gilt, möglichst zügig freizusetzen. Ansonsten überraschen mich die sechs Herren aus New Jersey mit einem Stil-und Genremix, der mich zuweilen weniger an neumodernen Core erinnert, sondern vielmehr an Bands wie 24-7 Spyz, Faith No More, Life Of Agony, sogar ein wenig Limp Bizkit meine ich herauszuhören… Erstaunlich, dass sie dabei trotzdem so derart trendbewusst wirken und dann auch mal eher nach Between The Buried And Me klingen.
Zwar hat die Band auch textlich viele unterschiedliche Gebiete, die sie abgrast, doch die musikalische Vielseitigkeit dieses Albums verbietet es einfach, hier näher ins Detail zu gehen. Was an unterschiedlichen Inspirationen in die Band geht, zeigt sich insbesondere an dem im Mittelpart schon fast nach Santana klingenden ‚The Garden´s All Nighters’. THE NUMBER TWELVE LOOKS LIKE YOU haben keine Scheuklappen, schrecken weder vor Stilmix noch vor Stilbruch zurück, und dieses Konzept geht auch super auf und sie sind dadurch größtenteils weniger stressig als beispielsweise Dream Theater auf ihren progressiveren Tracks.
Welcher Produzent lässt einer Band so etwas Wirres durchgehen? Die Antwort ist ganz einfach: die Band hat ihr Album selbst produziert und sich lediglich für das Mixing an Steve Evetts gewandt, der durch seine Arbeit mit The Dillinger Escape Plan ja schon einiges gewohnt ist.
‚Worse Than Alone’ ist genau das Album im Bereich Stresser- / Noise-Core, auf das ich eine ganze Weile gewartet habe. Wenn mir eine CD ein Lächeln ins Gesicht zaubert und ich pfeifend und gut gelaunt durch die Gegend gehe, dann kann das einfach nur ein grandioses Release sein, das ich fast schon zu Unrecht vorverurteilt hätte.