Lovehatehero – America Underwater

Ich weiß es nicht. Ich weiß echt nicht, was ich vom neuen Album der Jungs aus L.A. halten soll. Am Anfang des neuen Jahrtausends, also gar nicht einmal vor so vielen Jahren, habe ich fast jede neue Veröffentlichung genossen, die aus dem Bereich Emo mit all seinen Facetten kam. Bands wie TAKING BACK SUNDAY, SILVERSTEIN, FUNERAL FOR A FRIEND oder A DAY TO REMEMBER waren die Wachablösung zum Nu-Rock der ausgehenden 1990er – egal, ob sie sich eher im Metal verorteten oder im Punk, im Hardcore oder im Pop. Interessant war die Vermischung unterschiedlicher Stile zu etwas Neuem, das tanzbar war, zum Springen ebenso einlud wie zum Moshen und Pogen und darüber hinaus ältere und jüngere Liebhaber von Rockmusik in ihren Hörgewohnheiten miteinander verband.

Diese Tage sind vorbei!!! Meines Erachtens ist der Trend unlängst vergangen wie Schneemänner im Frühling. Allein einige Bands und deren Fans haben dies noch nicht begriffen. Der Grund liegt daran, dass das einst Innovative unlängst der Routine gewichen ist und neue Outputs wahrhaftig nicht mehr zu überraschen wissen. Und zu austauschbar sind die Bands untereinander geworden. Warum also sollte man sich ein neues Musikwerk zulegen, wenn man von dieser Variante bereits zehn im Schrank stehen hat?

Sicher, das ist Rhetorik, insofern sollte man zuerst einmal nach Pluspunkten suchen. Was man fast allen Veröffentlichungen im Emo-Pop-Bereich NICHT vorwerfen kann, ist, dass sie musikalisch schlecht wären. In der Regel sind sie sogar ziemlich gut. Die Sänger beherrschen die Spannweite vom kratzigen Schreien bis zum glasklaren Gesang über zwei Oktaven, die Gitarristen verwenden mehr als drei Power-Chords und haben eine Idee von Harmonielehre, die Schlagzeuger können Double-Bass und krumme Takte und die Bassisten spielen mehr als eine Grundtonbegleitung. Auch im Songwriting zeigen sich die Combos eloquent, kreieren zuckersüße Melodien und treffende Breakdowns, spielen mit Laut-leise-Kontrasten und schaffen es zu vermeiden, dass ihre Musik zu einem Klangbrei wird, weil jedes Instrument im Arrangement wohlüberlegt seinen Platz bekommt. Und all das machen LOVEHATEHERO auch; nicht unbedingt besser, aber keineswegs schlechter als die vielleicht namhaftere Konkurrenz.

LOVEHATEHERO schreiben unterm Strich gefällige Rocksongs mit dem nötigen Drive und eingängigen Melodien. Gegenüber ihrem Vorgänger „White Lies“ haben sie die Metal-Anteile erheblich zurückgefahren. Geschenkt. Ihr Problem ist zum einen die oben erwähnte Austauschbarkeit, zum anderen stolpern sie über die systemeigene Perfektion: das Ganze klingt viel zu glatt. Und beim Schmirgeln hat man auch gleich den Charme auf ein kaum mehr wahrnehmbares Maß reduziert. Warum sind THE GASLIGHT ANTHEM gerade so angesagt? Weil sie Virtuosen auf ihren Instrumenten sind? Weil sie perfekt inszenierte Songs schreiben? Weil sie beim Singen immer den Ton treffen? Weil sie eine so hübsche Boyband sind? Nein, weil sie genau das Gegenteil verkörpern. DAS ist Authentizität. Und nach der Emo-Schwemme befriedigen sie dabei das Bedürfnis nach mehr Realitätsnähe.

Vielleicht bin ich an dieser Stelle mit LOVEHATHERO zu hart ins Gericht gegangen. Ihre Musik scheitert meines Erachtens an der sich verändernden Zeit, nicht an ihrer Qualität. Alben wie „Nevermind“ von NIRVANA oder das Debüt von RAGE AGAINST THE MACHINE wären heutzutage sicherlich auch nicht so prägend wie einst. Doch zum Schluss gibt es noch einen oben drüber. Wer sich einmal den Spaß macht, die myspace-Seite aufzurufen, ergötze sich bitte an dem mehr als peinlichen Bandfoto, hole sich Inspirationen für neue Frisuren, betrachte das Bandmitglied auf der linken Seite, welches die Zunge herausstreckt und ein MAIDEN-Shirt trägt und wünsche sich, dass Eddie himself sofort erscheine und den Übeltäter auffresse oder zumindest in der Luft zerreiße. Naja.

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