Einen kurzen Moment war ich versucht, meine Plattenkritik zu HORSE THE BAND´s neuem Album ‚Desperate Living’ in den Bereich „Games“ zu packen. Die piepsigen Melodien vom Vorgängeralbum „A natural death“ waren mir noch zu stark im Ohr, als dass ich das hätte ignorieren können. Und so scheint auch das neue Werk mich mit dem Opener bestätigen zu wollen… Nach ein paar Songs ziehe ich meine Überlegungen aber zurück, denn: hier hat sich einiges getan, und zwar durchweg zum positiven!
Zunächst einmal: die Musik von HORSE THE BAND ist insgesamt durchweg strukturierter geworden, wirkt alles in allem dadurch deutlich homogener, und das 8Bit-Dudeln hat nichts mehr von nachträglich aufgezwängtem Special Feature, sondern als tragendes Element in den Songs. Häufig als Leitmelodie verwendet, gelegentlich aber auch als Begleitung eingesetzt, hat die Programmierung dadurch einen völlig anderen Stellenwert erhalten.
Zudem gesellen sich nun auch sphärische Keyboards dazu, insbesondere bei den eher ruhigen Nummern, wodurch manche Songs weniger nach stressigem Nintendocore klingen, sondern vielmehr nach 80er-Synthie-Pop. Da diese Mischung konsequent durchgezogen wird und nicht nur „als Ausrutscher“ gewertet werden darf, ist hiermit ein riesiger Schritt in Richtung Massenkompatibilität gelungen. Ebenso ist positiv zu vermerken, dass sich der Gesang deutlich weiterentwickelt hat und ab und an auch mal einen Ausflug in Cleanmelodien wagt.
HORSE THE BAND stoßen mit ‚Desperate Living’ sicher keinem ihrer alten Fans vor den Kopf, so weit geht der Schritt in musikalisches Neuland dann insgesamt doch nicht, aber mit dieser Scheibe wird es ihnen gelingen, sich auch ausserhalb der Nintendocore-Grenzen einen Namen zu machen, denn Hand aufs Herz: so manche Nummer könnte ebenso gut von Depeche Mode oder irgendwelchen Independent-Rock-Bands stammen… So viel neue Ideen und einen so mutigen Schritt nach vorne hätte ich der Band nicht zugetraut.