Edgar Allan Poe: 31: Teer und Federn

„Das Verhalten von Verrückten ist nicht berechenbar; und meiner Meinung nach, wie auch nach der von Dr. Tarr und Prof. Fether, ist es niemals sicher, sie frei herumlaufen zu lassen.“
Szenenwechsel bei EDGAR ALLAN POE. Es war eigentlich zu erwarten, dass nach dem Soloausflug von Leonie in der letzten Folge diesmal Edgar mehr oder weniger alleine zu Wort kommen würde. Genau so geschieht es auch, auch wenn ein paar kurze, gemeinsame Szenen gewährt werden.

Ein riesengroßes Lob sei an dieser Stelle Ulrich Pleitgen ausgesprochen. Selten hat es ein Sprecher einer Hörspielreihe derart glaubwürdig geschafft, Angst, Verzweiflung und Furcht vor der Zukunft dem Zuhörer alleine durch die Stimme zu vermitteln. Wo manch anderer Sprecher zu vorsichtig an diese Kunst herangeht und dabei eher blass bleibt, und wo andere zu dick auftragen und entsprechend aufgesetzt klingen, trifft er den perfekten Mittelweg, zwar verzweifelt, aber nicht gänzlich mutlos, ängstlich, aber mit einem Plan und dem nötigen Mut, diesen Schritt für Schritt in die Tat umzusetzen.

Poe sitzt weiterhin in seiner Zelle im Irrenasyl. Er wird strikt von den anderen Insassen getrennt, darf seine Wärter nicht anblicken und wird auch von ihnen nicht weiter angesprochen, abgesehen von Kommandos wie „Gesicht zur Wand!“. Seit er in die Zelle gekommen ist, hat er diese auf Schwachstellen überprüft. Sein einziger Wunsch ist die Flucht. Die Wärter zu überrumpeln, kann er vergessen. Die Tür ist robust und mit Stahlstreben verstärkt, die Gitter am Fenster sind nicht einmal im Ansatz rostig. Als letzte Möglichkeit bleibt ihm die Hoffnung auf eine Schwachstelle im Mauerwerk.

Seine Untersuchungen ergeben, dass tatsächlich unter seiner Schlafstätte ein Hohlraum zu sein scheint. Mit einem Löffel kratzt er die Fugen der Steinplatte Stück für Stück weg, bis es ihm gelingt, die Platte zu entfernen und in den dahinter zum Vorschein kommenden Gang zu schlüpfen. Dieser führt ihn aber lediglich in die Zelle eines anderen Gefangenen, der den Gang in jahrelanger Arbeit gegraben hat. Um nicht aufzufliegen, musste der die Erde, die er wegschaufelte, aufessen.

Poe erfährt vom Gefangenen, dass der einzige Weg zur Flucht über ein Geständnis und dann der Überführung zum Galgen liegen würde, wo er dann in letztem Moment entkommen könne. Um sich dann von den Fesseln zu befreien, würde er allerdings ein Messer oder einen Dolch benötigen. Auch hierfür hat der Gefangene einen recht morbiden Plan…

‚Teer und Federn’ lässt uns tief in die Abgründe der menschlichen Seele blicken. Dass sich die Handlung anfangs ein wenig dahin zieht und die Besuche von Leonie, bei denen sie vorgibt, Poe lediglich studieren zu wollen, im eigentlichen Sinne überflüssig sind, kann man in Anbetracht des grandiosen Finales dieser Folge geflissentlich übersehen. Die viel entscheidenderen Fragen, wie Leonie nun entkommen ist und vor allem, warum ihr weder Templeton, ihr Ex-Mann oder der Richter gefolgt sind und das Leben schwer machen, bleiben ungeklärt. Auch, wenn die abwechselnden Perspektiven, aus denen die Serie in letzter Zeit immer wieder betrachtet wurde, recht interessant sind und das Geschehen auflockern, wäre mir nun aber eine „reguläre“ Folge mal wieder ganz recht, bei der man die Geschichte aus einer gemeinsamen Sicht erzählt bekommt.

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