Will man über ein Album von SATYRICON etwas schreiben, so muss man verstehen, was alles dahinter steckt. Das neue Album, selbstbetitelt, satte vier Jahre nach ihrem letzten Werk „The age of Nero“, ist ein Zeugnis dafür, dass man auch nach zwanzig Jahren Bandbestehen noch in der Lage sein kann, komplett zu überraschen, ohne sich selbst untreu zu werden. SATYRICON, das sind Sänger & Gitarrist Satyr sowie der Schlagzeuger Frost. Mehr bedarf es eigentlich nicht, und dieses Duo wird lediglich live durch weitere Musiker aufgestockt (und sicherlich im Studio noch ein wenig aufgepumpt). Aber diese Leere, die aus der Kombination „nur Schlagzeug und Gitarre mit Kreischgesang“ entsteht, ist das Markenzeichen der Band geworden.
Da spricht vielleicht sogar der Entstehungsprozess der Songs zwischen den Zeilen, denn um seine Songideen unbeeinflusst von anderen Dingen zu entwerfen, flüchtet Satyr schon seit jeher in eine einsame Hütte im Wald und bleibt dort so lange, bis das Album fertig ist (vor meinem geistigen Auge sehe ich unfreiwillig die Hütte aus Evil Dead). Das ist Hingabe, das ist Aufopferung, aber nur so scheint man in der Lage zu sein, dass, was SATYRICONs Version des Blackmetal ist, auch zu fühlen und zu leben.
Um noch roher, rudimentärer zu werden, hat man sich für das selbstbetitelte Album komplett auf Analog-Technologie verlassen und alles so direkt wie nur irgend möglich aufgenommen. Das macht sich auch deutlich in der Aufnahme bemerkbar, zumindest dürfte schnell klar sein, dass ein SATYRICON-Album klanglich so überhaupt gar nichts gemeinsam hat mit einer aktuellen Aufnahme von z.B. Dimmu Borgir.
Aus all diesen zehn Songs, die SATYRICON hier bieten, ist ‚Phoenix‘ derjenige, der am schnellsten hängen bleibt. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, denn hierbei handelt es sich um einen Ausnahmesong. Nicht Satyr, sondern Sivert Høyem, ehemaliger Sänger von Madrugada, steht hier am Mikrofon und singt (ja, Cleangesang) den Text ein. In Kombination mit dem ansonsten recht typischen SATYRICON-Riffing wirkt das zunächst leicht befremdlich, entwickelt aber recht schnell einen ganz besonderen Charme, den man sich vorher nicht hätte vorstellen können, wenn einem jemand gesagt hätte „Satyricon mit Cleangesang funktioniert“. Es ist der Kontrast zwischen den kalten Gitarrenriffs und der warmen Stimme von Høyem, der hier verzaubert und in eine ganz eigene Welt entführt.
Die Band bleibt ihren Wurzeln absolut treu. Minimalistische Songstrukturen, die aber maximale Wirkung erzielen. SATYRICON hören ist nicht wie Musik hören, sondern eher wie Eistauchen: man stürzt sich in eine kalte Welt voller kalter Töne, die wie tausend kleine Nadelspitzen in die Haut stechen, aber wenn man erst einmal wieder aus dieser kalten Klangwelt entstiegen ist, merkt man, wie gut einem das eigentlich getan hat…