Leute, vergesst STRIKE ANYWHERE und Konsorten. Stellt sie zurück ins Regal. Ignoriert alle Reviews auf dieser Seite zu irgendwelchen Hardcorepunk-Veröffentlichungen. Ihr braucht nur ein Album, welches in eurem CD-Player so lange rotieren wird, bis der CD-Aufdruck sich Dank der Fliehkraft vom Silberling löst. „Stranger“ heißt das gute Werk. Es beinhaltet 30 Minuten ambitionierte Musik. Und so heißt natürlich die Band: AMBITIONS!
Nach der Auflösung von WITH HONOR (Album: This Is Our Revenge, Victory Records 2005) entschlossen sich die Brüder Jay und Jeff Aust zusammen mit ihrem Drummer John Ross zum Weitermachen. Jedoch sollte die neue Band nicht nach einer Kopie der alten klingen, nur um schnell wieder an Erfolge anknüpfen zu können. Und so war der erste Schritt, dass man die Rollen an den Musikinstrumenten neu aufteilte. Der ehemalige Gitarrist Jay Aust darf jetzt singen, Trommler John Ross wurde es hinter seinem Set zu langweilig, sodass er nun mit einem Bass bewaffnet vorne auf der Bühne stehen darf. Diese Entscheidung zum Perspektivenwechsel dürften die Herren aus Connecticut nicht bereuen, denn das Endergebnis der bekennenden BRUCE-SPRINGSTEEN-Fans ist eine Zeitreise durch 20 Jahre Punk- und Hardcore-Geschichte.
Lehnen sich manche Bands, Labels und Promo-Agenturen in ihren Vergleichen zu anderen Künstlern manchmal sehr weit und Absturz gefährdend aus dem Fenster, so sind die an dieser Stelle angegebenen Referenzen stimmig. Walter Schreifels´ (QUICKSAND) Gesang und Melodieführung wird auf „Stranger“ neu interpretiert. Der Punk-Spirit der leider zu Unrecht immer ignorierten FACE TO FACE wird in die Songs integriert. Weitere Inspirationsquellen sind Brian Baker und Ian Mackay, die nach der Auflösung ihrer Jugendbewegungsband MINOR THREAT mit ihren jeweiligen Neugründungen DAG NASTY und FUGAZI den amerikanischen Hardcore der 1980er durch die Entdeckung der Melodie revolutionierten. Alle Emo-Bands haben hier ihre Wurzeln. Da Brian Baker nun aber auch schon seit über zehn Jahren bei BAD RELIGION Gitarre spielt, welche die Intention der Melodisierung von DAG NASTY zur Perfektion geführt haben, schließt sich hier der von AMBITIONS begangene Rundweg durch die Zeit. Sie sind wieder im Hier und Jetzt angekommen.
Falsch wäre die Schlussfolgerung, AMBITIONS als eine rückwärts schauende Band zu charakterisieren. „Stranger“ ist ein moderner Vertreter der Post-Hardcore-Ära. Doch durch die Erinnerung an die Vergangenheit vergegenwärtigen wir diese, bekommen wir Aufschluss darüber, warum wir so sind, wie wir sind. Warum wir das lieben, was wir lieben. Und wir erhalten dadurch eine Orientierung für die Zukunft, auf die wir alle hoffen dürfen (jaja, das ist in höchstem Maße religiös). Insofern ist lediglich der Albumtitel unglücklich gewählt, denn der Fremde ist von Anfang an unser Freund.