American Steel – Destroy Their Future

Wenn ich an amerikanischen Stahl denke, verbinden mich meine Synapsen irgendwie immer mit meinem Simpson-Speicher. Kennt ihr die Folge, in der Homer fest davon überzeugt ist, Bart drohe schwul zu werden, weil dieser Kontakt zu einem homosexuellen Kitschverkäufer hat und eines Abends ein Hawaii-Hemd trägt? „Nur Schwule oder dicke, fette Partylöwen tragen Hawaii-Hemden. Und du bist kein dicker, fetter Partylöwe!“ Kurzentschlossen schleift Homer seinen kleinen Racker in ein Stahlwerk, um ihn richtig harte Männer zu zeigen. Allerdings ist es ein schwules Stahlwerk – „Achtung, ´was Heißes von hinten!“ – welches sich nach dem Signal der Feierabendpfeife in den Latex-Tanzschuppen „The Anvil“ verwandelt. Nur so als Einleitung.
Wir schreiben das Jahr 1995. Irgendwo in Oakland, Kalifornien, steht ein Lagerhaus, über dessen volle Breite der Schriftzug AMERICAN STEEL zu lesen ist. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ein unbedeutender Club, in dem eine unbedeutende Punkrock-Combo ihre erste Show abliefert. Alles OK soweit, bis auf eine Kleinigkeit: Die Band hat keinen Namen. Was liegt da näher, als den übermächtigen Schriftzug als Namensgeber zu nehmen? Über eine Dekade später veröffentlichen die Eisenwerker mit „Destroy their future“ nach sechsjähriger Unterbrechung, zwischenzeitlicher Bandauflösung und Ersatzbeschäftigung COMMUNIQUÉ wie aus dem Nichts ihr viertes Album; das erste bei „Fat Wreck“, wohingegen die letzten beiden auf dem kleineren Bruder im Geiste „Lookout!“ erschienen. Dabei zeichnete besonders „Rogue´s march“ den Kräfte zehrenden und verwirrenden Kampf von Gitarrist/Sänger Ryan gegen seine Leukämie nach.
AMSTEELs Einflüsse sind laut Selbstaussage vielschichtig, reichen von THE CLASH und Motown-Sounds bis hin zu irischen Volksweisen. Das hört man. Der Sound ist pur, ohne Schnörkel, geradlinig, direkt, offen- und warmherzig. Das begrüßt man. Denn am Ende stehen 12 kleine Lieder, die zwar nie den Anforderungen einer Hochglanzwelt entsprechen, aber manch ein von der Mehrheitsgesellschaft bedrängtes unabhängiges Herz berühren werden. Dass man deswegen nicht zu Unrecht zusammen mit HOT WATER MUSIC und THE LAWRENCE ARMS auf Tour geschickt wurde, versteht sich schon nach den ersten Takten; ebenso bejaht wird die These, dass die Herren aus der Bay Area sich auf „Destroy their future“ nicht weit entfernt vom ALKALINE TRIO bewegen. Songs wie „To the sea“ oder mein persönliches Lieblingsstück „Razorblades“ sprechen in diesem Falle für sich. Weitere Vergleiche lassen sich auch zu den partytauglichen Songs von RANCID anstellen, wofür „Smile on me“ der Beweis sein dürfte. Und natürlich sei hier „Hurtlin´“ erwähnt, jenes kleines, auf das Nötigste reduzierte Liedchen; Akustik-Gitarre, ein Akkordeon und dazu eine Zeile, die in bester Western-Manier die Größe des Kontinents zum Ausdruck bringt: „We drive all night gal ´cause I am coming home to you.“
So sehr diese immer wieder von Rezensenten geliebten Querverweise benutzt werden, können sie nicht den individuellen Zugang ersetzen, nach dem jeder selbst entscheiden muss. Für mich ist „Destroy their future“ eine der positivsten Überraschungen der letzten Monate, zumal ich AMERICAN STELL vorher nicht kannte und demzufolge keine Erwartungen hatte. Meine Zukunft wurde durch dieses Album nicht zerstört. Eher das Gegenteil.

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