Baumer – Were It Not For You

Dem informierten Kenner alternativer Hörkultur dürfte bewusst sein, dass das kleine Eyeball Records immer wieder für die eine oder andere Neuentdeckung verantwortlich war. MY CHEMICAL ROMANCE oder THURSDAY gehen auf das Konto des enthusiastischen Labels aus New Jersey. Von daher preist man selbstbewusst die neue Entdeckung BAUMER als die Zukunft der Musik und meine neue Lieblingsband an.
Hm. Dick aufgetragen, aber zugegeben: BAUMER stehen mit ihrer inspirierten Mischung aus Indie-Rock und 80er Wave-Pop vor einer potentiell größeren Zukunft, was bei Eintreten wohl bedeuten würde, dass sich Labels mit mehr Marktanteilen um die vier Herren aus Columbia, South Carolina prügeln werden (wie bei THURSDAY werden sicherlich die Bulldoggen aus Chicago Interesse bekunden) und Eyeball wieder einmal behaupten kann, lediglich eine große Band entdeckt zu haben. Die Bewertung dieser möglichen Situation bleibt jedem selbst überlassen.
„Were It Not For You“ ist nach „Come On, Feel It“, von dem mit begrenzten Vermarktungsmöglichkeiten immerhin 3000 Einheiten abgesetzt werden konnten, der zweite Longplayer von BAUMER. Gemessen am Hörbeispiel auf Myspace bleiben BAUMER ihrem experimentellen Stil auf dem neuen Output treu, denn während viele Bands nach der Devise „Lauter, schneller, härter“ verfahren, spezialisieren sich die Jungs aus dem Südosten der USA auf die leisen, aber keineswegs unrockigen Töne. Selten war ein mir vorliegendes Album so discokompatibel und demzufolge tanzbar, ohne in der heutigen Wahrnehmung Pop zu sein, sondern Rock zu bleiben. Selten waren die Melodien so nachvollziehbar und einprägsam, ohne in gängige 08/15-Schemata zu verfallen (auf den überstrapazierten Anglizismus „catchy“ wird hier bewusst verzichtet). Und selten hatte eine Produktion solch eine epische Breite, die trotz – oder gerade wegen – des absichtlich leiseren Masters im Vergleich zu anderen modernen Aufnahmen sämtliche Schichten der Instrumentierung und Effekte klar abzeichnet und voneinander unterscheidet.
So vage die Beschreibung von BAUMER an dieser Stelle bleibt, so schwer fällt es, die Musik und die Inspirationen der Band zu konkretisieren ohne mit Vergleichen zu arbeiten. MUSE? PANIC AT THE DISCO? NEW ORDER? NINE INCH NAILS? THE SMITHS? DEPECHE MODE? Jein! Das wird dem Gesamtkunstwerk einfach nicht gerecht. Wer solch ein Namedropping braucht, bitte! Jedoch vernebelt es immer den eigenen ersten Blick, verklärt den eigenen ersten Höreindruck, lenkt die eigene Erstinterpretation. Von daher hier die Aufforderung, sich unbedingt einen selbstgelenkten Eindruck zu verschaffen, denn mit BAUMER könnte etwas großes am Indie-Himmel aufziehen, und da will man ja gerne von Anfang an dabei sein, zumal laut Beipackzettel „Were It Not For You“ der Soundtrack für eine spätnächtliche Tanzparty ist, die in einer leidenschaftlichen Liebesaffäre mit dem Mädchen von der anderen Seite des Raumes endet. Wie gesagt, dick aufgetragen.

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