Crime In Stereo – Selective Wreckage

Beglückten uns die Post-Hardcoreler CRIME IN STEREO letztes Jahr noch mit ihrem grandiosen Album „…is dead“, so legen sie nun nach. „Selective Wreckage“ heißt das gute Stück. Und hinter diesem ausgewählten Schrott verbirgt sich eine B-Seiten-Kollektion, die keine sein will. Zweifelsohne gibt es hier Definitionsprobleme.

Der Begriff „B-Seite“ stammt noch aus einer Zeit, als Tonträger groß, schwarz und rund waren und zwei abspielbare Seiten aufwiesen. Es gab und gibt sie nach langjährigen Rettungsversuchen vermehrt wieder in 7“ bis 12“. Aber was sind B-Seiten? Wenn sich auf der A-Seite die Single, der absolute Top-Hit befindet, der im Radio und im Tanzlokal Rauf- und runtergespielt werden soll, was ist dann die B-Seite wert? Schrott? Ist es ein Song aus dem dazugehörigen Album – wenn es sich überhaupt um einen Künstler handelt, der nicht nur Singles veröffentlicht? Ist es ein exklusives Stück, unter Umständen sogar eine besondere Live-Version, welche den Sammler neben dem Kauf der LP auch zum Erwerb der Kurzform anregen soll? Ein bestimmter Remix? Eine mit Klavier umarrangierte Version eines elektrischen Beitrages? Erscheint die Single vorab zur Vollversion? Fragen über Fragen. Aber seien wir ehrlich: die Zeiten der wahren B-Seite sind vorbei. Heutzutage bestehen die meisten B-Seiten-Zusammenstellungen aus „Outtakes“, und da weiß man, woran man ist.

So einfach ist es dann aber doch wieder nicht: Gemessen an der Kapazität, die eine CD als derzeit gängiges Medium bietet, bleibt die Frage legitim, warum man bei massig Platz Songs nicht gleich mitveröffentlicht, sondern später – eventuell ein Jahr – die Geldbörse des Fans erneut belastet. Tjaaa, das müssen sich CRIME IN STEREO gefallen lassen. Die Band wird sicherlich behaupten, dass sie eine Veröffentlichungsform für einige neue, mehrere alte und ein paar liegen gelassene Songs gesucht hat, um sie ihren Fans endlich zugänglich zu machen.

Bingo! Erwischt! Denn „Selective Wreckage“ besteht abgesehen vom sphärischen, instrumentalen, neuen und kurzen Opener „(Panned Auras)“ aus neun Stücken, die es gerade einmal über die 20Minuten-Grenze schaffen!!! Neben dem ebenfalls neuen wie gelungenen „Everywhere And All The Time“ gibt es drei Herausnahmen von „is Dead“ und zwei vom Vorgänger „The Troubled Stateside“, welches 2005 auf Dexter Hollands (OFFSPRING) Label Nitro erschien. Hinzu gesellen sich weitere drei Stücke für eine geplante, aber nie realisierte EP mit CAPITAL.

Man merkt gerade den Outtakes der beiden letzten Alben an, dass sie nicht zum oberen Segment des entsprechenden Songmaterials gehören. Vielleicht passten sie der Band nicht ins Konzept der jeweiligen LP; dennoch wäre es nicht verwerflich gewesen, sie schon damals zu veröffentlichen. Vielleicht wären sie nicht aufgefallen, aber sie wären da gewesen. Heute haftet ihnen der Beigeschmack der Geldmacherei an, vor allen Dingen wenn man bedenkt, was z.B. ALKALINE TRIO als Abschiedsgeschenk für ihr ehemaliges Indie-Label Vagrant zusammengetragen haben. So bleibt mir die Gewissheit, meinen CD-Bestand von CRIME IN STEREO erweitert zu haben und ich freue mich besonders über „Everywhere…“. Für denjenigen, der für das Release Geld ausgeben muss und will, öffnet sich ein lachendes und weinendes Auge.

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