DILLINGER FOUR aus Minneapolis schaffen mit ihrem vierten Album das, was ich in keiner Weise von ihnen erwartet hatte: mich voll und ganz zu überzeugen. Ach, was rede ich: mich zu begeistern. Und das trotz des Umstandes, dass ich sie bis vor kurzem nur noch in meinem Unterbewusstseinsspeicher aufgehoben hatte. Ab sofort sind sie wieder präsent. Punkrock sei Dank!
Vor sechs Jahren erschien das letzte Werk „Situationist Comedy“. Damals bereits schon auf Fat Wreck, haute mir das Quartett in jener Zeit eine ziemlich raue und ungehobelte, aber durchaus melodische Punkrock-Keule über den Schädel. Verschwanden die Songs und ihre Melodien mit Ausnahme des großartigen Openers „Noble Stabbings“ aus unterschiedlichen Gründen im Nichts und die CD irgendwo in meinem Regal, so zeigen sich D4 anno 2008 auf ihrer neuen Scheibe „Civil War“ bedeutend prägnanter, präziser, rockiger, melodischer, schlichtweg liebenswerter. Etwas, was dem letzten Fat-Release von STAR FUCKING HIPSTERS bei ähnlicher Intention fehlte.
Allein schon das Eröffnungsstück mit dem telling name „A Jingle For The Product“ lässt ab dem ersten Einsetzen der Musik aufhorchen. Der folgende Beitrag „Contemplate this on the tree of woe“, meiner Meinung nach der stärkste Song auf dem Album, kann den positiven Ersteindruck nicht nur bestätigen, sondern ihn sogar überbieten und sorgt dafür, dass man im weiteren Hörverlauf auch standardisierte Punkrock-Nummern (dazu gehören leider besonders die Songs, die vom Bassisten St. Patrick / Perseus Hercules gesungen werden) mit offenen Ohren und weinenden Augen aufnimmt. Denn D4 gelingt etwas, was zuerst sehr einfach klingt, in der Umsetzung aber schon viele Bands hat scheitern lassen – nämlich die Kombination aus rau-kratziger Punkrock-Aggressivität mit sympathischer und mitsingbarer Melodie, ohne dass diese sich an Radioformate anbiedern würden. Ein weiterer musikalischer Pluspunkt ist die Zeitlosigkeit. Hätte dieses Album auch vor zehn bis fünfzehn Jahren Anhänger in der damals noch aktiveren Punkrock-Community gefunden, so passt es dennoch in moderne Zeiten ohne eine Reminiszenz an vergangene Melody- und Skatecore-Tage zu sein. Und gerade deshalb offenbaren D4 mir und sicherlich vielen anderen, warum ich mich mit dieser Musikart so sehr identifizierten kann.
Der Amerikanische Bürgerkrieg begann 1861 mit der Beschießung des Forts „Sumpter“ durch Konföderierte Truppen und endete vier Jahre später mit deren Kapitulation in „Appomattox Court House“ und dem Sieg der Union. Dies bedeutete 600 000 Tote, aber auch die Befreiung der schwarzen Sklaven in den Südstaaten. D4 haben in den letzten sechs Jahren ihren eigenen Krieg ausgefochten…und gewonnen. Zurück mit ihrer Partylaune, ihrer Spitzzüngigkeit, ihrer politischen Ironie und ihrem Hang zu langen, aber tollen Songtiteln. Ich hoffe, der Friede möge herrschen und uns bald ein weiteres Album dieses Kalibers bescheren.