Kaum auszudenken, was passiert wäre, hätte Brett Gurewitz von BAD RELIGION 1989 nicht eine schrottige Punkband namens NOFX für „Epitaph“ gesignt. Danach ging es mit Fat Mike, Melvin und Smelly steil nach oben, jedenfalls für Punkrockverhältnisse. Alben wie „Ribbed“ und „White trash…“ gelten als Blaupausen des Melodycore. „Punk in Drublic“ bekam sogar nach Jahren Gold, obwohl es nie in den Top 10 war. Das später vom Dicken gegründete Label „Fat Wreck“ brachte uns Bands wie LAGWAGON, PROPAGHANDHI, GOOD RIDDANCE, NO USE und Konsorten. Schlichtweg: NOFX sind Helden, obwohl sie das sicherlich nicht gerne hören wollen.
Nun ist mein Verhältnis zu Live-Alben gespalten. Zugegeben, es gibt da wirkliche Perlen, doch das nicht gerade im Punk-Bereich. Spielfehler en masse, mieser Sound, Aussetzer beim Gesang, alles notdürftig mit Overdubs kaschiert. Dazu meistens eine hinterfragbare Songauswahl, da man immer ein Best of erwartet. Warum soll ich mir das antun? Tja, bei NOFX verhält es sich ein wenig anders, denn es steht die alles entscheidende Frage im Raum, wie besoffen sie diesmal sind (Wer das Quartett schon einmal live gesehen hat, weiß, wovon ich spreche).
Um es vorwegzunehmen: Sie sind kometenschneedicht, genau so wie vor 12 Jahren, als sie ihr erstes offizielles Live-Album „I heard they suck live“ einspielten. Damals wie heute ging man identisch vor. Drei Shows an drei Abenden, unterschiedliche Sets und immer schön den Alkoholspiegel steigern bzw. ihn tagsüber erst gar nicht fallen lassen. Mit dem Ergebnis, dass natürlich die letzte Show nach Selbstaussage der Band die beste war.
Besonderen Wert haben NOFX darauf gelegt, dass kein Song von vor 12 Jahren wieder den Weg auf CD findet, sodass sich der Sammler nicht über unnötige Doppelungen ärgern muss. Jedoch bedeutet dies auch, dass einige Klassiker der Band fehlen, etwa „Bob“, „Linoleum“ oder „Kill all the white man“. Macht aber nix, gibt genug andere, die sich damals nicht im Repertoire befanden, z.B. das grandios „Eat the Meek“, „Franco Un-American“ oder „What´s the matter with parents today?“ Daneben beinhaltet das Live-Set auch mehrere B-Seiten (Glass War oder I, Melvin), umarrangierte Songs („Scavenger Type“ mit E-Gitarre) und den abgefahrenen „Wir spielen eben ´mal schnell neun Songs in sechs Minuten“-Block, der einen die Tränen in die Augen treibt.
Überhaupt der Comedy-Anteil. Die einen werden sagen, dass ihnen das lange Gequatsche zwischen den Songs auf den Puffer geht, andere hingegen schätzen gerade diese Elemente, besonders wegen der Schadenfreude darüber, wen NOFX in ihrer Schmerzbefreitheit beleidigen und veräppeln. Geburtstagskind Amy bekommt ein Ständchen, in dem ihr attestiert wird, sie sei überhaupt nichts Besonderes. STRIKE ANYWHERE werden als Pussies beschimpft, weil sie live immer nur eine halbe Stunde spielen. Und zu guter letzt bekommt der Fan und Käufer der neuen Live-CD gehörig die Hörner aufgesetzt: Die Zugabe in Form der 18Minutenoper „The Decline“ wird nach kurzer Zeit ausgeblendet. Ätsch!
NOFX-Fans kommen hier voll auf ihre Kosten. Vielleicht ist es auch angebracht, beide Live-CDs hintereinander zu hören. Neulingen sei jedoch empfohlen, sich die oben erwähnten Alben zu besorgen. Die gibt es mittlerweile für knapp 10 Euro.