Es ist wirklich schwierig, das neue Werk von POISON THE WELL passend in Worte zu kleiden. ‚Versions’ ist ein Album geworden, das weniger mit dem Begriff „Song“, dafür vielmehr mit Wörtern wie Geräuschkulisse oder Klangwand beschrieben werden kann. Die einzelnen Tracks sind genauso ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig wie gleichsam hart und unvorhersehbar. Hierzu tragen nicht zuletzt die stellenweise eingesetzten, für ein Hardcorealbum absolut unkonventionellen Instrumente wie Mandoline, Trompeten, Slidegitarren und Banjo bei. Was hierbei an Kompositionen entsteht, kann ehrlich betrachtet stellenweise an den Nerven zerren, andererseits ist es aber dann wieder wie ein Sog, der einen unwillkürlich in seinen Bann zieht. ‚Versions’ ist ein Musik-Trip.
Die Aufnahme des Albums hat erneut in Schweden stattgefunden, wo auch schon das 2003er Release ‚You come before you’ das Licht der Welt erblickte. Die gesamte Aufnahme ist ein wenig überladen. Zu viel Hall auf den einzelnen Instrumenten, zu viel Verzerrer auf dem Gesang, zu viele „Nebengeräusche“ unter den eigentlichen Songstrukturen. Das Ergebnis ist ein eher schwebender, lauter Sound, der nicht gerade als einfache Kost zu beschreiben ist. Man hat stellenweise Probleme, sich wirklich auf die Musik zu konzentrieren, weil das Ohr von zu vielen Eindrücken auf einmal beansprucht wird. Insgesamt sicherlich ein interessantes Experiment, was die Klangforschung betrifft, aber rein vom musikalischen Aspekt erwecken die Songs eher den Eindruck, als ob versehentlich zusätzliche Spuren auf der Aufnahme wären, die eigentlich noch gelöscht oder ausgefiltert werden sollten. Wo andere Bands dezente Hintergrundeffekte setzen, bauen POISON THE WELL auf Hintergrundmusik, die als Begleitung zu den Effekten fungiert.
‚Versions’ ist ein mutiges Album, ein Experiment, das auszuloten scheint, wie weit ein Publikum belastbar ist und wie weit Fans bereit sind, den Weg gemeinsam mit einer Band zu beschreiten. Sicher dürfte sein, dass es nicht viele Alben gibt, die mit diesem Release vergleichbar sind, nichtsdestotrotz vermisst man doch die ehrlichen Attacken nach vorne, wie sie auf dem Debüt ‚The opposite of December’ aus dem Jahr 1999 in jedem Song vorkamen. Selbstverständlich darf eine Band nicht auf der Stelle treten, und POISON THE WELL haben sich stetig weiterentwickelt, allerdings ist der Weg, den sie gehen, ein recht eigenwilliger Weg, und unter Umständen wird es sich zu einem einsamen Weg entwickeln. Ob ein weiteres Release in der Art noch Anklang finden mag, bleibt abzuwarten.
Mit ‚Versions’ gehen POISON THE WELL einen Schritt weiter als noch auf ihrem Vorgängerwerk, lassen alles bisher da gewesene hinter sich und überraschen immer wieder mit ungewöhnlichem Noisecore, der durch seinen Mangel an moshenden Stakkatos nichts mehr mit ihren Erstlingswerken zu tun hat. Wer das letzte Album mochte, der wird ‚Versions’ lieben, wer sich mit ‚You come before you’ bereits schwer getan hat, der sollte die Finger davon lassen. Absolute Premiere (zumindest meines Wissens) dürfte die Tatsache sein, dass das gesamte Album zur Zeit auf Myspace angehört werden kann… Also, hin da und reinlauschen.