Es gibt einfach zu viele Screamo-Bands. Besser gesagt: es gibt zu viele, die wirklich gute Songs schreiben. Noch besser gesagt: zu viele, die wirklich gute Songs schreiben, die aber alle kreuz und quer gleich klingen und variabel sind. Zu diesen Bands zählt auch SILVERSTEIN. Nein, eigentlich doch nicht. SILVERSTEIN gehen einen Schritt weiter, trauen sich mehr, sind eingängiger. Das ist wohl auch der Grund, warum es selbst in einem solch überlaufenen Genre immer wieder Bands gibt, die man als „Speerspitze“ bezeichnen würde und die mit jedem neuen Album wieder ein Zeichen setzen können.
‚A shipwreck in the sand’ benötigt hierfür lediglich ein paar Sekunden. Schon das Intro von ‚A great fire’ mit halb martialischem, halb moshigem Schlagzeug kündet an, dass hier gleich etwas großes passieren wird. Zwar bleibt der große Aha-Effekt dann ein wenig hinter den Erwartungen zurück, nichtsdestotrotz wird spätestens beim Refrain klar, warum man den Namen SILVERSTEIN einfach im Hinterkopf haben muss. Inhaltlich hat die Band ihr neues Album in vier Kapitel unterteilt, die auch klanglich durchaus variabel wirken. Ob man sich hier von dem Alchemy Index von Thrice hat inspirieren lassen, bleibt unbeantwortet.
Bekanntlicher Weise macht Victory Records keine halben Sachen, von daher war eigentlich auch abzusehen, dass die Produktion des Albums eine Granate werden würde. Diese Mutmaßung kann nun bestätigt werden. Sattes Schlagzeug, das nur bedingt nach Triggertechnik klingt, fette Gitarren, ein enormes Pfund an Bass, und trotzdem ist noch Platz, um Geschrei und Gesang richtig gut in Szene zu setzen. Cameron Webb, der auch schon das Album ‚Discovering the waterfront’ in seinen Fittichen hatte sowie andere große Bands wie Pennywise, Social Distortion oder Motorhead, hat wieder hervorragende Arbeit geleistet und sich wohl damit auch ein Ticket für die potentiellen nächsten Scheiben gesichert, es sei denn, die Band will mal experimentieren…
Was gibt es sonst noch zu einer Band zu schreiben, deren Triumphzug sich liest wie aus einem Märchen? Selbstverständlich wird die Band einige Shows der diesjährigen Vans Warped Tour bestreiten (was scheinbar für die „Speerspitze“ obligatorisch ist), natürlich hat man schon mit Fall Out Boy gespielt, es gibt Gastsängerauftritte von Liam Cormier (Cancer Bats), Scott Wade (ehem. Comeback Kid) und Lights, die Band wird sich in 2009 den Arsch wund spielen (derzeit sind sie als Headliner mit Norma Jean und Bless The Fall in den USA unterwegs)… Eben genau das, was eine große Band ausmacht. Die Special Edition der Scheibe kommt noch mit einer DVD im Gepäck, auf der ihr ein „Making of“ vom neuen Album, eine Japantour-Dokumentation sowie „Hinter-den-Kulissen“-Fotomaterial erhaltet.
Nach all diesen Lorbeeren muss allerdings auch gesagt werden, dass das ewige Wechselspiel aus Brutalo-Strophen und Sonnenaufgangs-Refrains mittlerweile derart ausgelutscht und durchgekaut ist, dass man trotz hohem Niveau der Songs irgendwann früher oder später (eher früher) zu dem Punkt gelangt, wo man sich dann doch lieber etwas anderes anhören möchte. SILVERSTEIN haben mit ‚A shipwreck in the sand’ also quasi Programm-Musik abgeliefert: Screamo ist das Schiffswrack, die endlosen Weiten der Wüste sind die von Ideen völlig abgegrasten Ebenen des möglichen Screamo-Riffings… Es wird allmählich dringend Zeit für innovative Elemente in diesem Genre, die nicht automatisch anstrengend wirken. Wer hier die Initialidee hat, wird das nächste richtig große Ding, das steht fest. Der Wettlauf hat begonnen…