Was ist das eigentlich für ein Krach, der die Lesung von Nagel stört? Oh! Mein Fehler! Ist ja gar keine Lesung, sondern die neue Platte von MUFF POTTER. Die Band wird es nicht gern hören, aber was wäre sie, ohne diese Texte? Deshalb ist es nur konsequent, dass Frontmann Nagel mit seinen Roman „Wo die wilden Maden graben“ und den dazugehörigen Lesereisen ziemlich erfolgreich unterwegs ist. Seine Band läuft seit jeher Gefahr auf ihn und seine Texte reduziert zu werden. Besser so, als auf Aussehen, Klatschnews oder ähnliches musikfremdes.
Und so kommt es, dass MUFF POTTER ihre Position im deutschen Rockzirkus deshalb berechtig inne haben, weil man Songs und Texte auf Konzerten inbrünstig mitsingen und seine Verbundenheit ausdrücken kann. Ein Buch geniest man eher im Stillen, was wiederum weniger zu Muff Potter passt. Trotzdem profitiert davon eher der Texter als der Rest der Band. Mit „Gute Aussicht“ haben die Münsteraner (oder Wahlberliner) nun ihr neustes Album auf dem Markt. Die Review kommt spät, es ist bereits bekannt, dass es ihr letztes sein sollte. Liebhaber der Band erfreuen sich darüber, dass sich MUFF POTTER hier wieder zu alten Stärken in Form von musikalischen Schwächen (oder sagen wir Schlichtheit) bekennen und wesentlich ungestümer, ungebremster und auch uneingängiger zu Werke gehen. Passend zu ihrem Rausschmiss (oder Weggang) vom Major. Und tatsächlich, der Platte ist es anzumerken, dass sich diese Band freigeschwommen hat. Dieses „Niemand ist wie ich“ was Nagel in „Ich bin charmant“ dem Hörer entgegen brüllt kommt dermaßen authentisch und wutentbrannt. So also würden sie es dem Einheits-Major-Meer vom Rettungsbot aus den Mittelfinger entgegen strecken.
Was ihre Glaubwürdigkeit und das Gespür für Melancholie angeht haben Muff Potter immer schon gut zur Hamburger Schule á la Tomte gepasst. Ihre musikalische Sperrigkeit und sagen wir mal proletarische Straßennähe haben sie immer herausragen lassen. Doch auch verhältnismäßig gemäßigte Songs wie „Niemand will den Hund begraben“ stehen ihnen – nicht erst seit „Stedy Fremdkörper“ – gut zu Gesicht.
Auch mit „Gute Aussicht“ bleiben Muff Potter also das, was sie sind, waren und wofür sie geliebt oder gehasst werden. Diese Band ist alles andere als egal. Im Gegenteil: sie ist einzigartig und wichtig in der deutschen Musikszene (leider: gewesen)!