Willkommen zum Endspiel. Hier soll ausgekämpft werden, welche der alten Thrash-Helden – METALLICA oder MEGADETH – zur Zeit den besseren Metal zelebrieren. Kurz gesagt: Dave Mustaine zeigt sich einmal mehr technisch überlegen, jedoch wird er auch einmal mehr daran scheitern, die Aufmerksamkeit weltweit einzuheimsen, die seine ehemaligen bösen Bandmitglieder auf dem Metal-Thron innehaben. So groß METALLICAs Versagen seit dem schwarzen Album ist, umso wohlduftender sind ihre Lorbeeren aus vergangenen Zeiten, auf denen sie sich immer noch ausruhen können. Der Thron wird (leider) nicht wackeln. Mehr wird zu diesem Thema hier nicht fallen.
Den engsten Kontakt mit der Band um den virtuos aufspielenden Rotschopf Mustaine hatte ich Anfang der 90er Jahre, als das Album „Countdown To Extinction“ eines der wenigen Ausrufezeiten war, welches nach dem Niedergang des 80er-Jahre-Metals zeigte, dass für das Genre noch Hoffnung bestand, während Grunge und Punk – von mir ebenso geschätzt und geliebt – zu ihrem Siegeszug ansetzten. Halte ich jenes Album aus dem Jahre 1992 zusammen mit dem zwei Jahre zuvor erschienenen Vorgänger „Rust In Peace“ sowie dem im gleichen Abstand entstandenen Nachfolger „Youthanasia“ zum Besten, was die Thrasher je zustande gebracht haben, so muss ich gestehen, dass ich danach die Band aus den Augen verloren und mich anderen musikalischen Höhepunkten zugewendet habe. Zu belanglos, vielleicht weil auch zu soft, gestalteten sich Alben wie „Cryptic Writings“ und das damals als überflüssig angesehene „Risk“. Erst kurz vor dem Release von „United Abominations“ wurde der Rest des kompletten MEGADETH-Backkatalogs von mir im Zuge einer groß angelegten Musik-Investitionsinitiative (Kaufrausch!!!) meiner Sammlung einverleibt. Und siehe da, die über zehnjährige Trennung wurde von mir bedauert.
Seit „The World Needs A Hero“ hat Mustaine seine Verstärkereinstellung wieder auf Metal gestellt und ständig an Fahrt zugenommen. Mit der mir sehr zusagenden Mischung aus Härte und Melodie bei „The System Has Failed“ war meines Erachtens der Bumerang wieder bei „Countdown“ angelangt, danach ging die Reise in die Urzeit des eigenen Schaffens weiter, womit wir nun wieder in den 80ern angekommen wären: Zusammen mit seinem neuen Gitarrenpartner Chris Broderick (JAG PANZER / NEVERMORE) eröffnet Mustaine das neue Werk mit einem melodischen instrumentellen Geniestreich, um danach mit „This Day We Fight!“ einen brachialen Wutsong über den Zuhörer auszugießen. Mit dem anschließenden „44 Minutes“ sind wir bei dem ersten, wenn nicht dem Höhepunkt der Scheibe, der besonders durch seinen melodischen Ohrwurm-Chorus hervorsticht. Spätestens beim nächsten Kracher „1,320“ ist man mittendrin im Geschehen und ergötzt sich am herrlichen Riffing wie an den bisweilen zweistimmig klingenden Melodieläufen. Der hier zu erkennende Wechsel zwischen schnellen Thrashern und Midtempo-Bangern zieht sich nachvollziehbar durch das ganze Album und wird durch die Halbballade „The Hardest Part Of letting Go…“ gekonnt aufgelockert, bevor mit „Headcrusher“, der ohne weiteres auf „Countdown“ hätte sein können, das Ende allmählich eingeleitet wird.
„Endgame“ unterstreicht einmal mehr drei wesentliche Charaktereigenschaften MEGADETHs. Erstens: Mustaine ist ein hervorragender Gitarrist. Daran ist nicht zu rütteln. Zweitens: Perfektionist Mustaine legt seit jeher viel Wert auf eine zeitgemäße und überzeugende Produktion. Aufgenommen im eigenen, neu eingerichteten Studio „Vic’s Garage“ und produziert von Andy Sneap (EXODUS, MACHINE HEAD) bestätigt „Endgame“ einmal mehr dieses im Vorfeld aufgestellte Urteil. Drittens: Dave Mustaine kann nicht singen. Konnte er noch nie. Mit seinem gepressten Sprechgesang bleiben die intonierten Kadenzen klein. Das macht aber nichts, mittlerweile hat man sich daran gewöhnt und zum typischen Stilelement aufgewertet.
„Endgame“ ist ein richtig gutes MEGADETH-Album geworden, wenn nicht sogar das beste seit 15 Jahren, seit „Youthanasia“. Doch die Alben davor bleiben unübertroffen, für mich bleibt gerade das Runterzählen bis zur Auslöschung und das damit verbundene Gefühl vom Endspiel unerreicht. Dennoch darf gehofft werden, dass Mustaine auch über diese Momentaufnahme hinaus uns mit solch guter Musik beglücken wird. Thums up!