Paper and Plastick Records, wie No Idea aus Gainesville in Florida, ist einer unserer neuesten Partner, von dem wir Rezensionsmaterial bekommen. Und wenn das Label von LESS THAN JAKE–Frontman Vinnie weiterhin so tolle Veröffentlichungen raushaut, erkläre ich es vielleicht zu meinem neuen Lieblingslabel, denn das, was FAILUIRES´ UNION hier hinlegen, ist für mich eine großartige Zeitreise in den Indie- und College-Rock der 1990er.
‚Die Schwalbe fliegt über den Erie-See,
Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;
von Detroit fliegt sie nach Buffalo –
die Herzen aber sind frei und froh,
und die Passagiere mit Kindern und Fraun
im Dämmerlicht schon das Ufer schaun,
und plaudernd an John Maynard heran
tritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“
Der schaut nach vorn und schaut in die Rund:
„Noch dreißig Minuten … Halbe Stund.“’
Ja, das ist aus der berühmten Ballade „John Maynard“ von Theodor Fontane, die ich einst Anfang der 90er auswendig lernen musste, und aus genau dieser Stadt im US-Bundesstaat New York kommen FAILURES´ UNION um Tony Flaminio, der mich nicht nur aufgrund seiner Herkunft an meine Schulzeit erinnert, sondern auch durch Musik, die ich und Freunde damals gehört haben. Denn „In what way“ ist eine Reminiszenz an diese (für mich) großartige Zeit, als wir zu „It´s a shame about Ray“ von den LEMONHEADS abhingen, Evan Dandos Nörgelstimme lauschten und nebenbei eine Zigarette nach der anderen rauchten. Als Bob Mould, einst Kopf bei HÜSKER DÜ, uns mit seiner schwermütigen Melancholie und Melodie auf „Copper Blue“ seiner Nachfolgeband SUGAR begeistern konnte. Als die Indie-Folk-Rocker von SOUL ASYLUM mit ihrem Major-Debüt „Grave Dancers Union“ über Nacht zu Stars wurden, wir allerdings bei „Runaway Train“ unser Tape immer vorspulten, bei „Somebody to shove“ allerdings zurück.
In genau diese Kerbe schlagen FAILURES´ UNION und hinterlassen dabei einen dezenten Schmerz, dass die jugendliche Unbekümmertheit längst vergangen ist, bewirken jedoch auch stille und heimliche Freudentränen, weil verloren geglaubte Bilder, Gerüche, Gefühle und Geräusche wieder präsent werden. Andere mir bekannte Menschen wollten sofort wieder „Icky Mettle“ und „Vee Vee“ von ARCHERS OF LOAF hören, andere mögen sich an die IRS–Jahre von R.E.M. und solche Alben wie „Lifes Riches Pageant“ oder „Document“ erinnert fühlen. Fakt ist also: FAILURES´ UNION lösen Emotionen aus.
Daher ist es umso schöner, dass erst ein Zufall dazu führte, dass dieses Album Gestalt angenommen hat: Tony Flaminio arbeitete 2005 als Zahnarzt, als er mit seinem Patienten Eric Ellman während einer Routineuntersuchung ein Gespräch über Musik anfing und beide letztendlich zum Entschluss kamen, Tonys bereits begrabene Band wieder zu reaktivieren. Wenn so etwas doch bei mehreren Zahnarztbesuchen herauskommen würde.