Mikroboy in Hannover

Der wöchentliche Tatort ist heute nicht in Münster, München oder am Ihmezentrum in Hannover. Er ist im beliebtesten Keller der Stadt und hier werden Herzen gefangen genommen. Großes Kino mit echten Gefühlen so zu sagen. Mikroboy im Bei Chéz Heinz.

Sie haben „leider nur zweimal geprobt“ und spielen heute Abend Songs, die „nicht so gut zum Mitsingen“ sind. Und das ist gut so, denn der Sonntagabend im „Heinz“ wird zur frühzeitigen Listening-Session zum erst Ende Juni erscheinenden neuen Album „Eine Frage der Zeit“. Die Band um Frontman und Kopf Michi Ludes hat sich Hannover herausgesucht um erstmals fast das komplette neue Album live auszuprobieren. Dass dadurch eher eine aufmerksame Stimmung entsteht ist klar, und wird wohlwollend in Kauf genommen. Die altbekannten Hits der letzten 2 Veröffentlichungen kann das Publikum natürlich wesentlich direkter mit Mitsingen und tanzend quittieren. Und tut dieses auch ausgiebig.

Für einen Sonntagabend ist das „Heinz“ gut besucht – ich würde sagen halb voll mit Fans. Alle anwesenden drängen in Richtung Bühne und hängen vom Soundcheck bis zum letzten Song der Zugabe an den Lippen des Sängers. Besonders erwähnenswert scheint mir der Sound. Mikroboy verwenden in vielen Songs Kleinigkeiten und Sounds im Hintergrund. Diese Liebe zum Detail geht live oft genug unter. Heute Abend nicht! Stellenweise drei Gitarristen, Elektroneinspieler, Keyboards und mehrstimmiger Gesang werden so glasklar gemischt, dass es eine Wonne ist. Einen wichtigen Anteil daran hat natürlich auch die Qualität der Musiker. Von wegen „zweimal geprobt“. Auf das unglaublich tighte Fundament von zwei Maschinen an Bass und Drums, kann sich der Rest der Band gelassen betten. Diese CD-Qualität auf en Liveauftritt herüber zu retten gelingt wenigen Bands so beeindruckend. Trotzdem sind wir auf einem Konzert. Das sieht und fühlt man! Ebenso spürbar ist das Interesse der Band an der Resonanz auf die neuen Songs. Dass sie in den letzten Monaten als Vorband von Lena vor zig Mal so vielen Menschen wie heute Abend gespielt haben ist der Band nicht anzumerken. Keine Stadionallüren, dafür direkte Kommunikation mit den ersten Reihen. Immer wieder sieht man die Musiker ehrliche Freude über die Textsicherheit vor der Bühne austauschen.

Die Songs des kommenden Albums reihen sich mühelos in die noch junge Discographie von Mikroboy ein. Poppiger, mit Elektronik angereicherter Indierock mit in Zukunft noch nachdenklicheren Texten. Ob die Welt tatsächlich einen weiteren Song über Berlin braucht und sich Menschen trauen so direkt über Depression zu sprechen, wie Michi Ludes in „Herzen aus Holz“? Eigentlich keine Frage. Natürlich, wenn das von Mikroboy kommt. Zumindest geht man mit diesem Gefühl nach Hause, heute Abend eine großartige Band gesehen zu haben, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat, weil sie direkt aus dem Herzen ihrer Fans spricht. Ob das so bleibt wird sich zeigen, sobald das Album auf den Markt kommt.

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