Nach „Weather Systems“ waren die Ansprüche an ein Live-Album von ANATHEMA eigentlich enorm hoch. So hoch, dass sie diese nicht einmal im Ansatz erfüllen können würden, so dachte ich zumindest. „Universal“, das Live-Album zu ihrer 2012er Tour zum aktuellen Album, ist aber weit mehr als nur ein Konzertmitschnitt. Tourstart in Plovdic, Bulgarien, und zwar im Philippopolis Amphitheater. Als besonderer Gast spielt das PlovdicPhilharmonicOrchetra die Begleitung zum Großteil dieses Konzertes… Metallica und „S&M“ lassen grüßen? Nicht direkt…
Spätestens seit der zweiten Schaffenshälfte von ANATHEMA dürfte klar sein, dass die Band sich von ihrer harten Metal-Seite mehr oder weniger abgewandt hat und nun progressive, sehr emotionale Rockmusik spielt. Das, was das Philharmonie-Orchester hier also als Begleitung spielt, ist keinesfalls so draufkomponiert, wie wir es bei Metallica gehört haben (wohlbemerkt: dort wirkt das alles zwar bombastisch, aber eben nicht unbedingt aus einem Guss, eine tolle Erfahrung ist die Scheibe dennoch), sondern eher als Entlastung des Keyboarders Daniel Cardoso zu verstehen. Was er sonst direkt spielen oder vielleicht auch nur samplen würde, kommt nun direkt live. Der Sound, der auf „Universal“ dadurch entsteht, klingt sehr natürlich, sanft, und wenn überhaupt nur dezent nachbearbeitet. Eine ehrliche Aufnahme, die das Live-Feeling gut transportieren kann. Der Mix hierbei steht einer Studioaufnahme nur ganz leicht nach. Die Band ist stets präsent, der Gesang ist immer klar verständlich, und trotzdem geht das Orchester im Klang nicht unter. Super!
Über das Songwriting von Daniel Cavanagh muss wohl nicht mehr allzu viel gesagt werden, ebenso wenig wie über die gesanglichen Talente seines Bruders Vincent. „Universal“ kommt als gekürzte Live-CD mit beigelegter Konzert-DVD. Die Songauswahl, die die Band getroffen hat, bewegt sich größtenteils auf den letzten beiden Scheiben, Klassiker wie „Closer“, „A Natural Disaster“ oder „Fragile Dreams“ dürfen aber natürlich nicht fehlen.
Meiner Ansicht nach sind die absoluten Highlights des Konzertes gleich die ersten drei Tracks „Untouchable Part 1&2“ und „Thinair“, aber auch der Übersong „Lightningsong“ oder „Fragile Dreams“ (sowohl in der langsamen als auch in der etwas beschwingteren Version dargebracht) wissen voll und ganz zu überzeugen. Wirkliche Schwachpunkte hat dieses Konzert sowieso nicht. Das überschaubare Publikum macht begeistert mit, die Band ist unglaublich gut drauf, das Orchester ist bei dem, was es tut, voll bei der Sache und die einzelnen Musiker haben ganz offensichtlich Spaß daran. Der Zugaben-Teil wird dann ohne Orchester gerockt, hier hätte man vielleicht (aber auch nur vielleicht) noch einmal etwas mehr die Kelle rausholen können, aber die bereits erwähnte Rockversion von Fragile Dreams als Schlusspunkt stimmt versöhnlich.
Fans greifen sowieso zu, aber auch andere Musikinteressierte sollten sich ANATHEMA einmal anschauen oder anhören. Eine Perle in der Musiklandschaft, die häufig total unterschätzt wird und in der Vergangenheit bei weitem nicht so viel Anerkennung geerntet haben, wie sie verdient hätten. Wer „Universal“ komplett gesehen hat (und bei 20 Songs dauert das ein wenig) ist hinterher lediglich deswegen traurig, weil er/sie nicht selbst dabei gewesen ist. Selten hat mich eine Live-Aufnahme so bewegt, Respekt!